Hingabe
entspannen. Das werde ich auch. Es ist doch wie der Gewinn einer Tombola. Oder eine Gewinnbenachrichtigung. Ich überlege es mir noch anders – mir ein Bad einzulassen und den Brief in der Wanne zu lesen.
Bei diesem Gedanken huschte ein breites Grinsen über Lenas Gesicht. Genau das würde sie tun. In die Wanne, ein paar Kerzen an, Musik, die durch die Wohnung schallt, und in Ruhe und Sinnlichkeit den Brief lesen.
Im ganzen Badezimmer hatte Lena Kerzen verteilt. Kleine, große, dicke. Es duftete im ganzen Raum. Das warme flackernde Licht schaffte eine urgemütliche Atmosphäre. Lenahatte Musik im Wohnzimmer angemacht und alle Türen auf, damit sie in der Wanne die Musik gut hören konnte. Sie machte es sich in der Wanne bequem. Durch die offene Tür konnte sie gut hören und nahm schließlich den Umschlag und öffnete ihn.
Wie sie es mittlerweile kannte, kurz und knapp, und doch diesmal anders.
„Lena,
Morgen Abend sehen wir uns.
Ich habe ja bereits vorgestern gesehen,
dass du wunderschöne Wäsche hast.
Für morgen wünsche ich mir
rote Strümpfe, rotes Höschen.
Roten BH und rote Heels.
Du wirst morgen in deinem Briefkasten
ein kleines Paket finden.
Es enthält die Adresse
und noch einige Dinge,
die du brauchen wirst.
Du wirst vor mir dort ankommen.
Warte dann auf mich.
Ich bin zur rechten Zeit da.
M.“
Lena spürte ein Kribbeln. Es breitete sich langsam aus, verstärkte sich mit jeder Zeile, jedem Gedanken, den sie las.
,Ja, morgen Abend war es soweit. Sie würde IHN sehen. Berühren. Es würde zwar etwas Geheimnisvolles wegfallen, nämlich seine vermeintliche Unsichtbarkeit, aber mittlerweile war sie voller Begierde, IHN tatsächlich zu sehen, zu spüren, anfassen zu dürfen.‘
Die Vorstellung, IHM endlich zu begegnen, erfüllte sie mit wahnsinniger Vorfreude.
Als sie seine Wünsche las, musste sie lächeln. Rote Wäsche, rote Strümpfe und Heels, ER würde Augen machen. Eines ihrer Lieblingsoutfits, gekauft in einem der zahlreichen Kiezläden. Nicht in der Boutique Bizarr, die die meisten Touristen anlockte, sondern dort, wo man zahllose Outfits ausprobieren und kombinieren konnte. ER würde Augen machen, wenn ER sie so sah. Sie freute sich darauf. Auf den nächsten Tag, auf IHN. Auf alles, was folgen würde.
Sie ging zu ihrem Wäscheschrank und zog zwei Schubladen auf. Sie nahm aus der einen Schublade ein Paar roter Strümpfe, aus der anderen ihre rote Spitzen wasche.
„Du möchtest mich in roter Wäsche, du bekommst mich in roter Wäsche.“
Lena lächelte.
„Du wirst Augen machen.“
Und mit diesem Gefühl ging sie schließlich zu Bett.
Der nächste Tag begann ganz normal und ohne Zwischenfälle. Lena fuhr ins Büro, unterhielt sich kurz mit Marie und begann zu arbeiten. Voller Energie arbeitete sie an ihrem Projekt. Die Zeit verflog, keine Mail von ihm – Fehlanzeige. Aber im Gegensatz zu den Vortagen machte es sie nicht unruhig. Oder gar unsicher. Sie wusste genau, ER wird sich melden. Und zwar genau dann, wenn ER es für richtig hält. Und solange warte ich eben.
Mittags ging sie mit Marie eine Kleinigkeit essen. Sie plauderten eher Belangloses. Marie fragte auch nicht, was los war. Sie spürte, dass Lena nicht darüber sprechen wollte. Und Lena merkte, dass ihr Maries Anwesenheit gut tat, denn ganz langsam machte sich dann doch eine leichte Unsicherheit breit.
Kein Anruf, keine Mail, keine SMS. Und heute Abend wollte ER, dass sie zu einer ihr noch unbekannten Adresse kam, und sich dazu kleidete, wie ER es wollte? Sie schüttelte den Kopf.Entweder verstand sie ihn (noch) nicht, oder ER war nicht der, für den sie ihn hielt.
Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Doch diesmal ging es nicht so schnell, bis sie wieder in ihrem Projekt drin war. Leise Zweifel machten sich breit. Konnte es sein, dass ER lediglich mit ihr spielte? Dass ER nur vorgaukelte, das zu sein, was sie sich insgeheim gewünscht hatte, wie ER war? Dass ER sich einfach nur sehr gut in sie einfühlen konnte, dass ER ihre Wünsche erahnte und sie zu seinen machte? Ihre Gedanken schweiften hin und her. Sie wollte, dass es nicht so wäre, sie wollte ihrem Instinkt, ihrem ersten Gefühl trauen. Das hatte sie bisher nie im Stich gelassen, wenngleich sie eher Kopfmensch war und weniger nach ihrem Gefühl lebte. Sie wollte nicht verletzt werden – deswegen ließ sie Gefühle eher selten zu. Marcus hatte es zumindest teilweise geschafft, ihre harte Schale zu knacken, zu ihrem Inneren war aber auch er bisher nicht
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