Hingebungsvoll

Schritt zurück und betrachtete sein Werk. Vivian saß auf der dritten Treppenstufe und starrte ihn erbost an, ihre Hände waren getrennt voneinander an die Treppe gefesselt und dank des robusten Metalls konnte er sich sicher sein, dass sie sich nicht befreien konnte.
    Leise pfeifend schlenderte er zur Bar und mixte sich einen Wodka Gimlet. Er ließ sich Zeit bei der Zubereitung, da er wusste, dass Geduld ebenfalls keine von Vivians Stärken war und sie ihn nicht aus den Augen ließ.  
    Mit dem Drink und einem Barhocker in der Hand ging er zurück zur Treppe und nahm davor Platz. Dann trank er einen Schluck.  
    „Nett, dass du mir auch etwas anbietest.“ Zickig drehte sie den Kopf weg.
    „Du kannst nachher bei deinem Date etwas trinken – obwohl ich glaube, dass du es wohl verpassen wirst.“ In sicherem Abstand fühlte Dale sich wieder etwas zuversichtlicher.
    Probehalber zerrte Vivian an den Handschellen, doch bis auf ein metallisches Klappern war sie erfolglos. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie wütend wurde.
    „Du hattest deinen Spaß. Jetzt mach mich los.“
    Unbeeindruckt nahm Dale noch einen Schluck. Dann fiel ihm ein, dass er Julian noch eine SMS schuldete. Er stand auf, stellte sein Glas auf den Hocker und zog sein Handy aus der Tasche.  
    „Jetzt hätte ich fast vergessen, Katie zurückzurufen. Wenn du mich kurz entschuldigst.“ Er nickte Vivian zu und schlug den Weg zur gegenüberliegenden Treppe ein, die ebenfalls nach oben führte. Sicherlich würde er sich nicht an Viv vorbei pressen; sie würde nicht eine Sekunde zögern, ihm ins Bein zu beißen. Für einen kurzen Moment spielte er mit dem Gedanken an einen Knebel, verwarf ihn aber. Sie sollte schließlich reden.
    „Wag es ja nicht, mich hier alleine zu lassen!“
    Über die Schulter sagte er: „Aber ich bin mir sicher, dass Katie mich vermisst. Ich bin gleich wieder da.“
    „Ich meine es ernst! Komm sofort wieder her und mach mich los!“
    Gemächlich stieg Dale die Treppe hoch, dabei schaltete er das Handy an. Oben am Geländer blieb er stehen, stütze sich darauf ab und betrachtete Vivian. Ihr Gesicht war vor Wut rot verfärbt.
    „Weißt du was?“, rief sie jetzt.
    Dale schüttelte den Kopf.  
    „Von mir aus kannst du da bleiben! Fang doch ein neues Leben mit Katie an. Ich hatte mir ja schon einen anderen Mann gesucht, als du Nervensäge aufgetaucht bist.“
    Seine Finger verkrampften sich um das Geländer. Sie konnte ihn auf die Palme bringen wie sonst niemand. Er ermahnte sich, darauf zu achten, ruhig zu sprechen, als er antwortete: „Es gibt und gab nie einen anderen Mann.“
    „Das sagst du.“ Sie schnalzte vielsagend mit der Zunge.
    „Das weiß ich. Du hast dich betrunken verplappert, meine Liebe. Schade, schade.“
    Er tippte sich zum Gruß an die Stirn und wandte sich ab, so schwer es ihm auch fiel. Vivians entsetzter Gesichtsausdruck war geradezu Gold wert.  
    In einem der Privaträume wählte er Katies Nummer, sie nahm fast sofort ab. „Hi, Dale.“ Ihre Stimme klang noch immer unsicher.  
    „Katie, entschuldige, dass du vorhin meine schlechte Laune abbekommen hast.“
    „Schon gut. War vermutlich schlechtes Timing.“
    „Ich war gereizt. Du weißt ja, wie Vivian sein kann“, antwortete er entschuldigend.
    „Ehrlich gesagt nicht.“ Katie kicherte, bevor sie fortfuhr. „Ich weiß das nur durch deine und Julians Erzählungen. Zu mir ist sie eigentlich immer bezaubernd.“
    „Oh.“ Mehr fiel Dale nicht ein. „Wie dem auch sei, ich bin hier und sie ist ans Treppengeländer gefesselt, ich habe also ein wenig Zeit.“
    Katies bestürztes Schweigen ließ Dale seine Wortwahl überdenken und er lachte leise. „Okay, das klang falsch. Keine Sorge, ihr geht es gut, ich musste nur räumliche Distanz zwischen sie und mich bringen. Sie wollte dem Gespräch durch- Äh- Körperliche Zuwendung entgehen. Jetzt warte ich erst einmal, bis sie sich ein wenig beruhigt hat.“
    „Okay, das erleichtert mich“, antwortete Katie. „Vorher klang es wirklich ein bisschen grenzwertig.“
    „Hast du dir überlegt, welches Geheimnis über dich ich Julian anvertrauen soll? Ich muss ihn jetzt anrufen, er dreht wahrscheinlich schon nervöse Runden durch sein Büro.“
    „Ersetze sein Büro durch den Club und du bist auf der richtigen Spur. Er ist schon dreimal hier an meinem Schreibtisch aufgetaucht, hat sich die Haare gerauft und ist wieder verschwunden. Bist du dir wirklich sicher, dass das mit mir zu tun hat?“ Ihre