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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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Auto hindurchzufahren, wäre er hohl gewesen. Allerdings hätte das zunächst eine Rampe erfordert, denn die Stämme begannen ein ganzes Stück über meinem Kopf und ruhten auf einem massiven Wurzelgeflecht, das größer war als die meisten Häuser. Sie wirkten wie Wächter am Tor eines Schlosses und hatten die moosbedeckten Arme wie zum Gruß erhoben – oder war es eine Warnung? Die ineinander verschlungenen Wurzeln formten einen Pfad, der wer weiß wohin führte. Etwas strich mir über die Schulter, als wir uns einen Weg durch Brombeergestrüpp und dichtes Unterholz suchten. Für einen Augenblick glaubte ich, eine knorrige Hand mit knollenartigen Knöcheln und unnatürlich langen Fingern zu sehen, die nach mir tasteten. Ich sprang zur Seite, bevor ich begriff, dass es sich um einen niedrigen Zweig handelte, an dem feuchtkalte Moosfladen hingen.
    Als noch schlimmer empfand ich den Geruch. Die Wiese war warm, frisch und voller Blumen gewesen, aber hier gab es kein angenehmes Grün. Der Wald war feucht und schimmelig, und darunter spürte ich noch etwas anderes, säuerlich und halb verfault. Ich dachte darüber nach, als wir uns dahinschleppten, und schließlich fiel mir ein passender Vergleich ein. Es fühlte sich an wie die Präsenz einer todkranken Person. Wie gut die Hygiene auch sein mochte, es gab immer einen charakteristischen Geruch. Der Wald roch nach Tod. Nicht nach dem schnellen eines gejagten Tiers, sondern dem der langen, schweren Krankheit eines Menschen, an den sich der Tod über längere Zeit hinweg herangepirscht hatte. Die Wiese war mir viel lieber gewesen. Ich schob mich etwas näher an Tomas heran, der noch immer bewusstlos war, und versuchte, mir meine Unruhe nicht anmerken zu lassen. Der Wald hatte etwas Unnatürliches. Es lag an dem düsteren Licht, das sofort zu Zwielicht wurde, und an dem Alter, das wie die Schwerkraft herabdrückte und zuzunehmen schien, kaum dass wir die Wiese verlassen hatten. Das Alter der Bäume konnte ich nicht einmal schätzen, und immer dann, wenn ich glaubte, dass sie nicht noch größer werden konnten, brachten sie genau das fertig. Immer wieder erkannte mein müdes Gehirn Gesichter in der Rinde – alte, verschrumpelte Gesichter mit Haar aus Pilzen, Barten aus Flechten und dunklen Augen. Marlowe versuchte mehrmals, ein Gespräch zu beginnen, aber ich schenkte ihm keine Beachtung, und schließlich gab er es auf. Meine Gedanken galten anderen Dingen, zum Beispiel der Frage, wie ich Myra finden und was ich mit ihr machen sollte, wenn ich sie schließlich fand. Mir wurde jetzt klar, warum sie sich ausgerechnet im Feenland versteckt hatte. Es war ein ganz neues Spielfeld, von dem ich überhaupt nichts wusste. Wenn meine Macht nicht richtig funktionierte, würde es schwer werden, ihr so nahe zu kommen, dass ich die Falle gegen sie einsetzen konnte. Außerdem wusste ich nicht, über wie viele Verbündete sie verfügte. Nachdem ich gesehen hatte, was mit Macs Zaubern geschehen war, hielt ich von den Waffen des Senats nicht mehr so viel wie vorher. Wie sollten wir uns zur Wehr setzen, wenn sie in dieser verrückten neuen Welt nicht funktionierten? Hinzu kamen einige banalere Erwägungen, die nicht dazu angetan waren, meine Stimmung zu verbessern: Mein Mantel schien immer schwerer zu werden, ich wünschte mir ein Bad, und ich sehnte mich nach Mircea. Das Verlangen hatte sich nicht verringert, war zwar erträglich, aber alles andere als lustig. Ich fühlte mich wie ein Drei-Päckchen-am-Tag-Raucher am Ende eines zwölfstündigen Flugs, aber es war nur etwa eine Stunde vergangen. Ich nahm den mit Blei gefütterten Folterapparat ab, den Pritkin mir aufgezwungen hatte, und es half ein wenig, aber keine Brise traf meine schweißnasse Kleidung.
    Als ich mich vorbeugte, erschöpft keuchte und Schweiß von meinem Gesicht auf den mit Laub bedeckten Waldboden tropfte, sah ich es, den ersten Beweis dafür, dass wir uns tatsächlich in einem Zauberwald befanden. Eine von roten Flechten bedeckte Baumwurzel, die wie ein schuppiger Arm aussah, kroch von der Seite des Pfades zu der Stelle auf dem Boden, die sich direkt unter meiner Nase befand. Ich wich mit einem überraschten Quieken zurück und beobachtete, wie das Ding meine Schweißtropfen von den Blättern saugte. »W-was ist das?« Ich wich noch weiter zurück, als die Wurzel näher kaum und zwischen den Blättern suchte, wie ein Schwein nach Eicheln. »Ein Spion.« Marlowes resignierte Stimme ertönte über meinem Kopf. »Ich wusste,

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