Hinreißend untot
Schmutziges graues Haar reichte ihm bis zu den Knien und hatte die Konsistenz von Dschungelmoos. Sehnige Muskeln zeichneten sich an absurd langen Armen mit grüngrauer Haut ab. Der Körper ähnelte einem rissigen Baumstamm mehr als einem anderen lebenden Wesen. Überall gab es knollenartige Auswüchse, wie von abgetrennten Ästen. Bei ihm bestand die »Kleidung« aus langen grauen Moosstreifen und einigen Farnen, die direkt aus dem Körper zu wachsen schienen.
Ich hielt mir die Nase zu und wünschte mir, ebenfalls nicht atmen zu müssen. »Was
sind
das für Leute?«
»Dunkle Elfen«, brachte Marlowe hervor. »Riesen und Eichenmänner.« Die Wurzeln hatten sich ebenso schnell zurückgezogen, wie sie gekommen waren – Kopf und Hals blieben jetzt unbedeckt. Den Grund dafür verstand ich, als ein drei Meter großer Riese heranstapfte und ihm eine Keule von der Größe eines kleinen Baums an den Kopf schlug. »Es ist immer der Kopf«, ächzte Marlowe, verdrehte die Augen und brach zusammen. Ich wich zurück und hob die Hände, um zu zeigen, dass ich harmlos war. Leider entsprach das auch der Wahrheit. Der Rucksack mit der Knarre lag zu weit entfernt, und andere Waffen hatte ich nicht. Die kleinere Gestalt lachte und sagte etwas in einer gutturalen Sprache, die ich nicht verstand. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war das vielleicht auch besser so. Ich wich noch etwas weiter zurück, als die beiden Baummänner näher kamen, versuchte dabei, sie im Auge zu behalten und gleichzeitig auf den mit Wurzeln übersäten Boden zu achten. Es klappte nicht, und ich landete der Länge nach im Laub. Kaum lag ich auf dem Boden, wickelten sich Wurzeln um meine Handgelenke und hielten mich fest. Einen Moment später erreichte mich der größere Baummann, und sein Atem schlug mir entgegen, mit dem Duft eines reifen Komposthaufens.
»Cassie!« Ich hörte Macs Stimme und sah rechtzeitig genug auf, um zu beobachten, wie er aus der gelockerten Umklammerung der Wurzeln rutschte und in meine Richtung lief. Alles schien langsamer zu werden, wie bei einer schlimmen Sache, die man beobachtete und gegen die man nichts unternehmen konnte. Die Wurzeln folgten Mac, und bevor ich genug Luft für einen warnenden Ruf holen konnte, durchbohrte ihn eine wie ein lebender Speer. Am Boden gefesselt musste ich zusehen, wie er schmerzerfüllt zusammenzuckte, der Oberschenkel von Holz so spitz und scharf wie ein Messer durchbohrt. Er schwankte, sank schwer auf die Knie und brachte schließlich einen Schrei hervor.
Ich fühlte raue Finger an meinen Beinen – sie fanden den Bund meiner Shorts und beschädigten den Reißverschluss in ihrer Hast, mir die kurze Hose von den Hüften zu zerren. Ich merkte kaum etwas davon und beobachtete entsetzt, wie sich Mac auf dem Boden wand und versuchte, sich die lanzenartige Wurzel aus dem Bein zu ziehen. Schließlich schaffte er es, den Holzspeer mit ruhigen Händen aus seinem Bein zu lösen. Blut spritzte aus der Wunde, aber darauf achtete er nicht.
Kaum hatte er sich von der Lanze befreit, schlang sich ihm eine Wurzel um den Hals und drückte zu.
»Nein!«, entfuhr es mir. »Lasst ihn in Ruhe – ihr tötet ihn!« Entweder verstanden mich die Wurzeln nicht, oder es war ihnen gleich. Das Geschöpf über mir zerrte noch immer an den Shorts, und mit einem Ruck riss es sie mir halb nach unten. Ich trat nach ihm, aber ebenso gut hätte ich Holz anstatt lebendes Fleisch treffen können – das Wesen merkte nicht einmal etwas, verzweifelt sah ich mich nach Hilfe um, aber Tomas’ reglose Gestalt wurde gerade auf recht unsanfte Weise in einen Sack geschoben. Marlowe hatte inzwischen das Bewusstsein wiedererlangt, doch drei Riesen hielten ihn fest, während ein vierter versuchte, ihm einen Sack über den Kopf zu stülpen. Mac schaffte es, die Wurzel zu lockern, und mit einer Hand versuchte er, sie ganz von seinem Hals zu lösen. Die andere war auf die Wunde in seinem Oberschenkel gepresst – die große Blutlache auf dem Boden wies darauf hin, dass vielleicht eine wichtige Ader gerissen war. Wenigstens hatten sich die anderen Wurzeln zurückgezogen. Sie schienen nicht an ihm interessiert zu sein, solange er keinen Widerstand leistete. Ich hoffte, dass er liegen blieb und sich tot stellte, bevor er wirklich tot war.
Mit einem jähen Adrenalinschub wurde mir klar, dass ich auf mich allein gestellt war und meine normalen Verteidigungsmechanismen hier nicht funktionierten. Das Armband war nicht mehr als Zierde, und der
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