Hinreißend untot
rar geworden.«
»Vielleicht bin ich stärker, als Sie glauben.« Ich war eine Seherin; bestimmt konnte ich mit einem mickrigen Zauber fertig werden. Mac zuckte nur mit den Schultern, was die tätowierte Eidechse veranlasste, wieder nach Deckung zu suchen, diesmal unter dem Schuppenleib der Schlange. Der gefiel das gar nicht, und sie schlug mit der Schwanzspitze nach dem kleineren Tattoo. Die Eidechse sprang zur Seite und lief dann über Macs Wange den Kopf hoch. Oben verharrte sie und spähte hinter einer dichten Braue hervor und sah mit unfreundlich blickenden schwarzen Augen zur Schlange.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Macs Worte. »Magie ist wie ein Muskel, Cassie, auch wenn er metaphysischer Natur sein mag. Je mehr man damit arbeitet und trainiert, desto stärker wird er. Über welche Magie Sie auch verfügen, sie ist reines Talent, und damit allein kommen Sie nicht weit.«
»Tony hat mir keine Ausbildung gestattet.«
»Damit hat er Ihnen mehr geschadet, als Sie ahnen. Ein mächtiger, nicht ausgebildeter Anwender von Magie ist ein Ziel, nicht mehr. Macht kann abgeleitet werden, wenn man nicht weiß, wie man sich abschirmt. Der Dunkle Kreis hat keine Bedenken, Magie zu stehlen, wo er kann. Wenn Sie derzeit gegen einen dunklen Magier antreten würden … Genauso gut könnte ein Kind versuchen, beim Armdrücken einen Wrestler zu besiegen. Es sei denn, Sie nutzen die Macht Ihres Amtes. Sie brauchen eine Ausbildung, zumindest für die Verteidigung«, betonte Mac ernst. »Und je eher, desto besser.«
»Ja, ich füge das meiner Liste hinzu«, sagte ich bitter. Jeder schien bestrebt zu sein, einige zusätzliche Punkte auf meine Zu-erledigen-Liste zu setzen, obgleich ich Hilfe dabei brauchte, den einen oder anderen von ihr zu streichen. »Im Augenblick habe ich andere Probleme.« Ich drehte mich um und fühlte Pritkin in der Tür stehen, noch bevor ich ihn sah. »Zum Beispiel die Frage, wie wir das Feenland erreichen.«
»Oh, wir erreichen es«, erwiderte er grimmig, und ich stellte fest, dass er wieder sein Arsenal umgeschnallt hatte. Den langen Ledermantel, den er als Tarnung dafür benutzte, hing über seinem Arm. »Das Problem besteht darin, es wieder zu verlassen.«
»Machen wir uns jetzt dorthin auf den Weg?«
»Nein«, sagte er, und ich versuchte, nicht erleichtert zu sein. »Heute Abend.«
»Heute Abend?« Ich folgte Pritkin ins andere Zimmer. »Aber dann sind die Vampire unterwegs.« Ich wusste nicht, ob sich Mircea derzeit in seinem sicheren Raum befand – Vampire der ersten Stufe waren nicht an die Nacht gebunden und konnten tagsüber aktiv sein. Die meisten schliefen trotzdem am Tag, denn die Nacht ging viel freundlicher mit ihrer Kraft um. Wenn Mircea nicht ruhte, war er träge, aber abends würde er putzmunter sein.
»Wir beabsichtigen nicht, in den Vampirbereich vorzustoßen«, erinnerte mich Pritkin. »Und das Portal wird von Magiern bewacht.«
»Ich weiß nicht, wie uns das helfen soll«, wandte ich ein. Die Aussicht, es mit einer Gruppe von Kriegsmagiern zu tun zu bekommen, gefiel mir ebenso wenig wie eine Konfrontation mit den Vampiren. Es war sogar noch weniger ratsam – der Senat wollte mich wenigstens nicht tot sehen. Wahrscheinlich nicht. »Einige Freunde von mir sind heute Nacht im Dienst«, erklärte Mac. »Ich kann Sie an ihnen vorbeibringen.«
»Ich muss mich um gewisse Ausrüstungsgegenstände kümmern«, sagte Pritkin und zog den Mantel an. Ich beneidete ihn nicht, denn draußen waren es mehr als dreißig Grad, aber vermutlich blieb ihm keine Wahl. Es hätte der Polizei wohl kaum gefallen, wenn er wie ein Komparse aus
Platoon
herumlief, und unbewaffnet aufzubrechen … Das wäre noch ungesünder gewesen als ein Hitzschlag. »Ich schlage vor, Sie bleiben hier, außer Sicht«, sagte er und mied meinen Blick. »Schlafen Sie, wenn Sie können. Vielleicht bekommen Sie so bald keine Gelegenheit mehr dazu. Und lassen Sie Ihren Schutzzauber von Mac in Ordnung bringen«, fügte er hinzu, als er zur Tür ging. »Sie werden ihn brauchen.«
Er eilte hinaus, als wären alle Hunde der Hölle hinter ihm her. Mac sah mich an und zuckte mit den Schultern. »Es ist Ihre Entscheidung, aber ich rate Ihnen, es sich gut zu überlegen, Schätzchen. Das Feenland ist ein schrecklicher Ort, selbst dann, wenn es sich nicht am Rand eines Krieges befindet. Ich kenne niemanden, der derzeit auch nur in die Nähe des Feenlands kommen möchte.«
»Ich denke darüber nach«, versprach ich ihm.
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