Hinreißend untot
dachte darüber nach, während Mac sein Werkzeug wechselte. Die leichte Antwort lautete: »So ziemlich alles.« Aber ich wollte mich nicht auf ein langes Gespräch über ein Thema einlassen, das mich selbst an einem guten Tag deprimierte. Andererseits: Es mochte unklug sein, es ganz zu vermeiden. Ich wollte Pritkin nicht unbedingt darauf hinweisen, dass mich Myra derzeit weitaus mehr interessierte als Tony. Nach kurzem Überlegen beschloss ich, Mac teilweise die Wahrheit zu sagen. Immerhin mangelte es mir nicht an gerechtfertigten Vorwürfen gegen den Dicken.
»Es geht mir nicht vor allem um Rache. Man könnte sagen, dass ich gewisses persönliches Eigentum zurückhaben möchte.« Ich zuckte zusammen, als plötzlich ein Funke über meine Haut tanzte. Macs neues Instrument ließ meine Aura knistern, als wäre sie voller statischer Elektrizität. Ich saß ganz still, um einen weiteren Stromschlag zu vermeiden. »Er hat Ihnen etwas gestohlen?«
Ich hätte fast laut geseufzt. Mac gab sich nicht mit der kurzen Version zufrieden. »Vor zwanzig Jahren meinte Tony, dass er eine fähige Seherin an seinem Hof brauchte, eine, der er vertrauen konnte. Aber gute Seher sind selten, und die ehrlichen unter ihnen halten kaum etwas davon, für die Vampirmafia zu arbeiten. Er machte sich auf die Suche nach einem hellseherischen Talent, das als Kind bei ihm aufwachsen konnte; auf diese Weise wollte er sich Loyalität sichern. Wie es ein glücklicher Zufall wollte, hatte einer seiner menschlichen Angestellten eine Tochter, die sich perfekt für diese Rolle eignete. Zwar stand mein Vater schon seit Jahren auf Tonys Lohnliste, doch er weigerte sich, mich zum Hof zu bringen.«
»Ihr Vater war ein Abtrünniger?«, fragte Mac. Er klang überrascht. »Ich weiß nicht, was er war. Man sagte mir, dass er mit Geistern sprechen konnte, und deshalb nehme ich an, dass er über hellseherische Fähigkeiten verfügte. Ob er ein Magier war oder nicht …« Ich hob und senkte die Schultern. Irgendwann wollte ich ihn fragen, nach dieser Sache und auch nach anderen. »Ich weiß nur, dass er einer von Tonys Lieblingsmenschen war. Bis er Nein sagte.«
»Er muss doch gewusst haben, wie der Vampir darauf reagieren würde.«
»Wahrscheinlich plante er, mit meiner Mutter und mir zu fliehen, da es nicht als besonders gesund gilt, Tony etwas abzuschlagen. Aber er bekam keine Gelegenheit dazu. Und Tony fand, dass er für den vermeintlichen Verrat nicht einfach nur den Tod verdiente. Deshalb beauftragte er einen Magier mit der Herstellung einer magischen Falle, und darin fing er den Geist meines Vaters ein, nachdem er den Wagen meiner Eltern zur Explosion gebracht hatte. Seitdem benutzt er diese Falle als Briefbeschwerer.«
Macs Hände verharrten auf meinem Rücken. Ich sah erneut über die Schulter und begegnete seinem Blick.
»Das ist doch nicht Ihr Ernst … oder?«, fragte er.
Ich drehte mich wieder um. »Doch. Wie ich gehört habe, ist die Falle etwa halb so groß wie ein Golfball; sie könnte also überall sein. Tony hat drei Häuser und mehr als ein Dutzend Geschäfte, und das sind nur diejenigen, von denen ich weiß. Ich habe nicht vor, sie alle zu durchsuchen, und deshalb muss ich ihn dazu bringen, mir zu sagen, wo die Falle ist.« Ich ging davon aus, dass er sie bei sich hatte. Es entsprach durchaus Tonys Stil, seine Trophäen bei der Flucht mitzunehmen.
Mac stand da, die Hände auf meinen Schultern. Aus irgendeinem Grund wirkte er fassungslos. »Sind Sie jemals in Versuchung geraten?«, fragte er schließlich. »In Versuchung?«
»Sie sind die Pythia. Sie könnten in die Vergangenheit zurückkehren und ändern, was geschehen ist.« Mac trat zur Seite, damit er meine Augen sehen konnte. »Sie wären in der Lage, Ihre Eltern zu retten, Cassie.« Ich seufzte. Ja, diese Möglichkeit stand mir offen. »Sie kennen Tony nicht. Außerdem dachte ich, dass die Aufgabe der Pythia darin besteht, die Zeitlinie zu schützen, und nicht, sie selbst zu manipulieren. Ich könnte etwas Wichtiges verändern und alles noch schlimmer machen.« Bei meinem Glück wäre genau so etwas geschehen.
Mac sah mich scharf an. »Aber Sie sind dazu imstande.«
»Ja, ich könnte meine Eltern daran hindern, in den Wagen zu steigen, in dem Tony damals eine Bombe versteckt hat. Aber dann wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Und wie ich Tony kenne, hätte er sie auf irgendeine andere Weise umgebracht.« Ich lächelte grimmig. »Er ist sehr beharrlich.«
Mac sah mich prüfend
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