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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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aber vornehm kaute, Bissen um Bissen, und wie sie sich am Ende genußvoll die Lippen leckte und nach dem Handtuch griff. Und da war niemand, der es ihr aus den vernarbten Händen riß.
    Er dachte an die Fragen, die sie ihm gestellt und auf die sie in Wahrheit keine Antworten von ihm erwartet hatte. Wenn es einen Gott gibt, warum gibt es dann Menschen? Wenn es keinen Gott gibt, worüber machen wir uns dann Gedanken?
    Er dachte an sie, weil er nichts von ihr wußte, bloß das, was er beweisen konnte. Und das genügte ihm nicht.
    Es genügte Polonius Fischer nicht, eine tote Selbstmörderin zweier Morde zu überführen.
    Manchmal genügte es ihm nicht einmal, einen lebenden Täter zu überführen. Manchmal wollte er in das Haus mit den blinden Fenstern zurückkehren und eine Weile dort leben wie früher in seiner Zelle, der Finsternis am allernächsten.

29 Eine traurige Geschichte
    W o gehst du hin?« fragte Anita Soltersbusch.
    Er ließ sich Zeit, bevor er antwortete.
    »Raus.«
    Den Vormittag dieses Feiertagsmittwochs hatte sie im Bett verbracht, während ihr Mann die Zeitung von gestern las und mehrmals auf den Balkon hinausging, ohne daß ihr klar wurde, warum. Danach hatte sie ein Bad genommen. In dieser Zeit klingelte zweimal das Telefon, und sie hörte ihren Mann flüstern. Jetzt saß sie in der Küche, trank Kaffee und blätterte in einer Fernsehzeitschrift.
    Rupert Soltersbusch hatte seinen grauen Ausgehmantel angezogen, darunter trug er ein frischgewaschenes, braunrotkariertes Hemd mit Bügelfalten. Er stand in der Tür und trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Dann geh halt endlich«, sagte Anita Soltersbusch. »Du bringst Unruhe rein.«
    »Ich geh ins Stüberl«, sagte er.
    Mit einem Kugelschreiber kreuzte sie eine bestimmte Sendung an. »Ich dachte, die Kneipe hat sonn- und feiertags geschlossen.«
    »Nicht am Tag der Deutschen Einheit.«
    »Warum denn nicht?«
    »Frag die Maria.«
    Nach einem Schweigen, in dem keiner von beiden – wie abgesprochen – sich von der Stelle rührte, sagte sie: »Ich komm vielleicht nach.«
    Soltersbusch sah auf seine Uhr und dann zur Wohnungstür.
    »Von mir aus«, sagte er und ging los. »Aber nicht, daß es wieder so ausschaut, als würdst du mich abholen. Zieh deinen Mantel in der Kneipe aus und verbreite keine Hektik.«
    Sie hörte die Tür schlagen und blätterte um.
    Im Treppenhaus zögerte Soltersbusch einen Moment. Dann stieg er ins Parterre hinunter, von wo aus er noch einmal nach oben blickte, bevor er auf die Straße trat.
    Auf dem Bürgersteig gegenüber stand Walter Madaira, reglos dem Haus zugewandt, mit einer braunen Wildlederjacke, die er nicht zugeknöpft hatte, und einem dunkelblauen Hut.
    Soltersbusch nickte ihm zu und überquerte die Anhalter Straße.
    »Sehr freundlich, daß Sie vorhin zurückgerufen haben, Herr Madaira. Und ich hab auch noch mal mit meinem Stellvertreter beim AMM gesprochen. Wie geht’s Ihnen?«
    »Ihr Anruf gestern kam sehr überraschend.« Madairas Stimme klang, als habe er eine Erkältung. »Es geht mir wahrscheinlich gut, ich weiß nicht genau.«
    Solche Antworten verkomplizierten die Sache für Soltersbusch unnötig. Mit launiger Geste zeigte er auf das Hemd seines Gegenübers. »Wir haben beide dasselbe Muster aus dem Schrank gezogen. Heut ist der Tag der Karierten. Ich wollte persönlich bei Ihnen um Nachsicht bitten, Herr Madaira.«
    Soltersbusch warf einen schnellen Blick zum Balkon im ersten Stock. Aber seine Frau war nicht zu sehen. »Wir haben Sie damals beschuldigt, das heißt, beschuldigt haben wir Sie nicht, wir haben Sie einem Verdacht ausgesetzt …«
    »Sie haben mich fast denunziert«, sagte Madaira und steckte die Hände in die Jackentaschen. Etwas in ihm wog heute weniger schwer, etwas ermutigte ihn, mit offener Jacke durch den Tag zu schlendern.
    »Dafür möchte ich im Namen des AMM um Nachsicht bitten. Das war übereilt und nicht gerecht, was wir getan haben.« Sein Gesicht blieb ausdruckslos und bleich, kein Zeichen von Erregung oder Anteilnahme. Dafür fixierte er Madaira mit forderndem Blick.
    Der Schauspieler bewegte die Hände in den Taschen, holte tief Luft, zog die Stirn in Falten und lächelte ein paar Sekunden. »Das ist lange her«, sagte er. »Und die Begegnung mit dem Kommissar möchte ich nicht missen. Machen Sie sich keine Gedanken.«
    »Das erleichtert mich sehr«, sagte Soltersbusch mit einem erneuten Blitzblick zum Balkon. »Ich würd Ihnen gern ein Bier ausgeben. Kommen Sie mit ins

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