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Hinter der Milchstraße - Roman

Hinter der Milchstraße - Roman

Titel: Hinter der Milchstraße - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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einer Hausschwelle.
    »Was ist los?«
    Ihre Augen flitzten von mir zu Bossie. Er kam keuchend angerannt und gab ihr schon von Weitem zu erkennen, dass er nichts mit mir zu tun hatte.
    Ich sagte: »Du hast deine Karre nicht bezahlt.«
    Calista blinzelte.
    Sie sagte: »Was?«
    »Du hast deine Karre nicht bezahlt. Du hast dich nicht mal bedankt. Die Leute stapeln das alte Eisen nicht zu ihrem Vergnügen.«
    Bossie machte den Mund auf, um an Calistas Stelle zu antworten, ich meinte sein »Oskar, Oskar« schon zu hören, aber ich hob die Hand und nickte in die Richtung der Kuhkarre.
    »Du könntest doch etwas dafür geben, oder?«, sagte ich.
    »Natürlich kann ich etwas dafür geben«, sagte sie.
    »Dann nimm das Geld und gib es ihnen«, sagte ich. »Wo ist es?«
    »In meiner Tasche«, sagte Calista. »In meinem Ohr, in meinem Hintern.«
    Bossie grinste.
    Mein Blick schoss in seine Richtung, aber es war schon passiert.
    Calista hob das Kinn. Zwei sind stärker als einer, sah ich sie denken.
    »Was für ein Lärm um nichts«, sagte sie, während sie die Hand in die Tasche schob. Sie holte einen Schein heraus und hielt ihn zwischen uns.
    Einen Moment lang dachte ich, sie habe das Geld aus meiner Tasche geklaut.
    Sie sagte: »Schau doch.«
    »Also«, sagte ich.
    »Es ist meins und bleibt auch meins.«
    Zwischen uns wurde ein schwerer Rollladen heruntergedonnert.
    Ich trat einen Schritt zurück. Einen Moment lang schaute ich hinauf zu dem Dach aus hellen und dunklen Blättern über meinem Kopf. Ich sagte, ich würde jetzt zurückgehen zum Tor der ALTEISEN KG .
    »Ich werde dafür Sorgen, dass Priit etwas für die Karre bekommt«, sagte ich. »Pass bloß auf.« Ich schnappte nach Luft und spürte, wie meine Muskeln hart wurden. Noch bevor Calista es kapierte, riss ich ihr das Geld aus der Hand und schoss wie der Blitz davon.
    Die Sandstraße erschrak von meinem Lärm: Mit beiden Händen zugleich schlug ich gegen die Tür der ALTEISEN KG .
    Calista kam hinter mir her, Bossie im Kielwasser. Sie stürzten sich zu zweit auf mich. Sie suchten nach dem Geld in meiner Faust.
    Bossie gab sich keine Mühe zu verbergen, dass er ihr half. Er riss mir den einen Arm fast aus der Kugel. Sie drehte an meinem anderen Arm. Sie wrangen mich zu zweit aus.
    Ich kämpfte um Luft.
    Aus Versehen knallte ich gegen ihren harten Kopf. Der Schmerz machte sie wild. Sie zischte und fauchte und zeigte die Zähne.
    In diesem Moment stieß Priit das Tor auf.
    Calista und Bossie konnten sich stolpernd auf den Beinen halten.
    Ich fiel um wie ein nasser Sack. Ich landete mit dem Gesicht auf den harten Steinen und meinte, meinen Schädel krachen zu hören. Ein paar Sekunden lang lag ich auf der Seite, starrte einen Haufen umgekippter Schrottteile an und dachte verschwommen: Der blaue Himmel ist gekentert.
    Priit streckte die Hand nach mir aus. Ohne nachzudenken, reichte ich ihm das Geld, das ich in meiner Faust zerknüllt hatte, und dann erst begriff ich, dass Priit mir aufhelfen wollte.
    Er stöhnte vor Überraschung.
    »Das ist von ihr«, sagte ich. Ich nickte in Richtung Calista und ihrer Karre.
    Priit schaute nur kurz auf. Er hatte niemanden gesehen. Er steckte das Geld in die Tasche und murmelte einen Satz, in dem das Wort Zeit vorkam. Er wollte, glaube ich, gar nicht, dass wir es verstanden.
    Die hässlichen Wörter lagen auf Calistas Zunge bereit. Sie zerkaute sie.
    Petra kam stirnrunzelnd auf uns zu. Sie sah aus, als hätte sie ihr Gesicht dichtgemacht. Sie hielt die Arme ausgestreckt, wie man es tut, wenn man Tiere vor sich hertreibt. Ihre Sprache war nicht misszuverstehen.
    Bossie senkte den Kopf.
    Calista schluckte mühsam und presste die Lippen zusammen.
    Ich zögerte am längsten, denn eine Ahnung sagte mir: Gleich kriege ich die volle Ladung ab. Ich wandte mich noch einmal Priit und Petra zu.
    Sie nickten mir zu, sie lächelten sogar.
    Trotzdem schlug die Tür hinter mir zu.
    Nach dem Zuschlagen wurde ich eine Maus.
    Calista ließ ihre Karre krachend zwischen unsere Füße fallen. Ihre Zehen bekamen etwas ab. Sie machte keinen Mucks. Sie stemmte die Hände in die Seite und fragte, wer ich glaubte, dass ich war.
    Sie schaute von mir zu Bossie und wieder zu mir und schlug sich gegen die Stirn. Sie sagte: »Ich darf nicht vergessen, dass ihr Brüder seid. Also alle beide Mistkerle.«
    Sie packte ihre Karre und versetzte mir wie aus Versehen einen Stoß.
    Mit großen Schritten lief sie davon. Ihr Körper wurde geschüttelt, als könnte jeden Moment

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