Hinter der Nacht (German Edition)
Zeit
dehnte sich endlos. „Warum?“, hauchte ich.
„Weil mein Leben
ohne dich finster und leer ist. Und es sich einfach schrecklich anfühlt, dich
niemals kennenzulernen.“
Hatte er das
wirklich gesagt? Oder war es nur eine Stimme in meinem Kopf? Ich wusste nicht,
wer den ersten Schritt tat, doch plötzlich lag ich in seinen Armen, und er
drückte mich so fest an sich, dass es mir vorkam, als würden unsere Körper
durch die Hitze, die er verströmte, zu einem einzigen verschmelzen.
„Du“, flüsterte
er in mein Ohr. „ Du bist das einzige, was zählt. Ich wollte das nicht.
Aber ich kann mich nicht länger dagegen wehren.“
Sein Körper an
meinem, sein Atem an meinem Ohr, alles, was er sagte – es war fast zu viel. Ich
musste all meine Kräfte mobilisieren, um nicht augenblicklich in Ohnmacht zu
fallen. Wörtlich gemeint. Und wenn seine Arme mich nicht so fest gehalten
hätten, hätte meine Kraft trotzdem nicht gereicht. Mein Körper glich glühender
Lava, während mein Herz gerade dabei war, zu explodieren.
„Ich - weiß
nicht, was - du an dir – hast“, flüsterte ich stoßweise. „Ich versteh - es ja
selbst nicht. Ich weiß nur eins: Seit ich dich zum ersten Mal getroffen habe –
oder meinetwegen zum wievielten Mal auch immer – sehe ich nur noch dich. Wenn
du bei mir bist, ist mir alles andere egal. Und wenn du nicht da bist…“ Ich
verstummte. Ohne ihn war mir auch alles egal. Ohne ihn war mein Leben leer und
dunkel. Wie eine Nacht ohne Sterne. „Ich – will nicht, dass du nicht da
bist“, endete ich schließlich beschwörend. „Egal, wer du bist. Denn eins weiß
ich bestimmt: Du bistgut für mich. Es gibt keinen Besseren!“
„Doch, gibt es“,
murmelte er, und dann sagte er nichts mehr. Er konnte nicht. Denn seine Lippen
waren damit beschäftigt, eine glühendheiße Spur auf meiner Haut zu
hinterlassen. Von meinem Ohrläppchen über meine Schläfe, meine Wange – und dann
waren sie endlich an meinen Lippen angelangt. Jetzt glühte nicht mehr nur mein
Körper. Die Luft um uns herum wurde durch pures Feuer ersetzt. Alles stand
lichterloh in Flammen.
Und was ich
vorher geahnt und gesagt hatte, wurde zur unumstößlichen Gewissheit: Ich
gehörte ihm. Ganz und gar. Und es gab kein Zurück. Würde nie eins geben. Und
hatte nie eins gegeben.
In diesem Moment
wusste ich, dass er alles mit mir machen könnte, dass ich ihm blind, ohne zu
fragen, überall hin folgen würde. Nicht nur, weil ich es wollte. Sondern weil
ich nicht anders konnte. Ich gehörte ihm mit Haut und Haar. Es war mir völlig
egal, was mit mir geschah, solange es nur für ihn geschah. Das war keine
bewusste Willensentscheidung von mir. Es war einfach so. Ich wusste es.
Und er schien es auch zu wissen.
Ich spürte seine
Hände auf meiner Haut, seinen Atem in meinem Gesicht und seine wunderbaren,
rauen, zarten Lippen auf meinen. Die Welt hörte auf, sich zu drehen, Sonne und
Mond blieben stehen, Raum und Zeit verloren ihre Bedeutung. Silberne Blitze
erleuchteten den Himmel. Wir waren eins mit dem Universum. Und ich wusste
genau, dass ich nie wieder allein sein würde. An keinem Ort und zu keiner Zeit.
Denn es gab keine Grenzen mehr. Und dies war nicht das Ende, sondern
der Anfang .
© 2013
Claudia Walter
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