Hinter der Nacht (German Edition)
etwas mehr wie du ist“, murmelte ich. „Mit dir fällt es mir total
leicht, zu reden. Bei ihm dagegen…“
„Er nimmt alles
sehr ernst“, räumte Mike ein.
„Ja, nur mich
nicht“, entgegnete ich düster. „Ich glaube, er hält mich für ziemlich albern. –
Naja, ist ja auch kein Wunder. War wahrscheinlich nicht der beste Einstieg,
erstmal in Ohnmacht zu fallen“, fügte ich selbstironisch hinzu.
„Willst du damit
sagen, das machst du nicht jedes Mal, wenn du zwei gut aussehenden Burschen wie
uns begegnest?“, spöttelte Mike.
Ich quälte mir
nur ein müdes „Haha“ ab.
Er wurde wieder
ernst. „Also, auch, wenn du es nicht glaubst, kann ich dir versichern, dass du
ihm ganz und gar nicht gleichgültig bist.“
Mein Magen
machte einen jähen Hüpfer. „Hat er das gesagt?“
„Nein“, gab er
zu.
Meine Innereien
plumpsten wie ein Sack Steine zurück nach unten.
Rasch setzte er
hinzu: „Wie du schon festgestellt hast, ist er nicht der Gesprächigste, schon
gar nicht, wenn es um seine Gefühle geht.“ Meine aufkeimende Entgegnung brachte
er mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Aber ich kenne ihn. Vielleicht sogar
besser als er sich selbst. Und ich weiß , dass du ihm nicht gleichgültig
bist.“ Er blickte mich beschwörend an. „Lass dich von seinem Getue nicht
abschrecken!“
Ich lächelte
gequält, während mein Herz einen wahren Trommelwirbel veranstaltete. „Und was
soll ich deiner Meinung nach tun?“
„Sei einfach du
selbst.“
Klar. Nichts
einfacher als das, wenn mir in seiner Gegenwart jedes Mal jegliches
Denkvermögen abhanden kam.
Mike musste mir
meine Zweifel ansehen, denn er klopfte mir aufmunternd auf den Rücken. „He,
keine Angst. Du machst das schon!“
„Sicher doch.
Hast du nicht vielleicht noch einen etwaskonkreteren Tipp für mich?“
„Doch, habe ich.
Du könntest zum Beispiel damit anfangen, dass du uns eine Unterkunft für heute
Nacht empfiehlst. Wir haben nämlich noch keine.“
„Was ist denn
mit eurer – Freundin?“
„Ach, das ist
etwas kompliziert“, antwortete er.
„Ja, das habe
ich schon gehört. So wie alles bei euch?“, fragte ich.
„Ja, könnte man
sagen“, pflichtete er mir bei.
Ich überlegte.
Amanda und Philipp hatten sich für ihre Hochzeitsnacht gleich hier eingemietet.
Ihr Zimmer zu Hause war also frei. „Ihr könntet bei mir bleiben“, bot ich an,
„wenn ihr wollt.“
Mike sah sehr
erfreut aus, aber das war nichts im Vergleich zu der Aufregung, die mich
schlagartig überkam bei der Aussicht, ihn – und vor allem Arik – noch länger
bei mir haben zu können.
Die Jungs ließen
ihre Motorräder stehen und wir gönnten uns ein Taxi. Ich saß zwischen Mike und
Arik auf der Rückbank und mich durchströmte ein Schauer nach dem andern.
Meinetwegen hätte die Fahrt ewig dauern können, doch leider kannte der Fahrer
sich gut aus und lieferte uns schon nach knapp zehn Minuten vor meiner
heimischen Haustür ab. Wir tappten die Treppe hoch in die Wohnung, und nachdem
ich den beiden das Nötigste gezeigt hatte, trennten sich unsere Wege.
Dann lag ich mit
klopfendem Herzen in meinem Bett und starrte an die Decke. An Schlaf war nicht
zu denken. Zuviel war heute passiert. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich nicht
einen Tag, sondern ein ganzes Jahr hinter mich gebracht. Und ich wusste, dass
nach diesem Tag nichts mehr so sein würde wie zuvor. Weil ich nicht mehr
dieselbe war. Und nie wieder sein würde.
Offenbar schlief
ich doch ein. Wie schon in der Nacht zuvor träumte ich. Es war ein schöner
Traum, auch wenn ich mich hinterher an nichts daraus erinnern konnte. Außer an
eine Sache. Die beiden Engel tauchten wieder darin auf. Und diesmal hatten sie
Gesichter. Ihre Gesichter. Die von Mike und Arik.
„Das hat doch
alles keinen Zweck.“
Obwohl die
Stimme unterdrückt klang, bekam ich eine Gänsehaut, als ich sie hörte, und
blieb mitten im Flur stehen. Eigentlich war ich unterwegs in die Küche gewesen
mit der Absicht, meinen beiden Gästen ein Frühstück herzurichten, bevor sie
wach wurden. Aber offensichtlich war ich zu spät dran. Ich atmete tief durch
und versuchte, meine wackligen Beine davon zu überzeugen, mich wieder vorwärts
zu tragen, als der Sprecher erneut zu vernehmen war.
„Dukannst
ja bleiben, wenn du willst. Aber ich haue so schnell wie möglich hier ab. Je
eher, desto besser.“ Die Stimme gehörte Arik, kein Zweifel. Und was er sagte,
bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen. Mit klopfendem
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