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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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Erinnerung gehabt hatte. Obwohl wir vormittags aufgebrochen waren und die
Fahrt, soweit ich mich erinnerte, höchstens zwei Stunden dauerte, hing zu
meiner Überraschung ein riesiger, orangerot glühender Feuerball direkt über den
Bergen und ließ die schneebedeckten Spitzen wie flüssiges Gold aussehen. Ich
hatte noch nie etwas Schöneres gesehen – mal abgesehen von den Augen des
finsteren Engels hinter mir.
    Ich ging Arik
voran noch ein paar Schritte bis dicht ans Ufer, dann ließ ich mich auf eine
Bank, die einladend dort stand, fallen. Nach kurzem Zögern folgte Arik meinem
Beispiel. Ich war steif von der ungewohnten Fahrt, müde von der kurzen Nacht
und hungrig von den wenigen Bissen, die ich heute mit Mühe und Not
heruntergewürgt hatte, doch ich fühlte mich so glücklich wie nie zuvor.
Gemeinsam betrachteten wir schweigend, wie die Sonne Stückchen für Stückchen
hinter den Bergen versank, wobei sie nicht nur die Gipfel, sondern auch das
Wasser, in denen diese sich spiegelten, in immer dunkler werdenden Gold- und
Rottönen färbte. Der Anblick war so überwältigend, dass mir fast die Tränen
kamen.
    Plötzlich spürte
ich, wie meine rechte Hand ergriffen wurde. Ein Stromstoß durchfuhr mich, heiß
wie ein Strahl der untergehenden Sonne. Die Hitze zog von meiner Hand durch den
Arm in meinen gesamten Körper. Hunger und Müdigkeit waren vergessen. Ich
glühte. So, genau so, musste es im Himmel sein.
     
    Als die Sonne
schließlich ganz versunken und auch der letzte dunkelrote Schimmer auf dem
Wasser erloschen war, entfuhr mir ein tiefer Seufzer. „Das war wunderschön!“
    Wie immer zuckte
ich zusammen, als plötzlich Ariks Stimme neben mir ertönte, vor allem, weil er
immer noch meine Hand hielt. „Willst du’s noch mal sehen?“
    „Wie bitte?“
    „Möchtest du es
noch einmal sehen?“
    Erstaunt sah ich
ihn an. Er erwiderte meinen Blick mit einem Glitzern in seinen Augen, das mir
den Atem nahm und meinen Herzschlag gefährlich beschleunigte.
    „Schön wär’s“,
antwortete ich kurzatmig. „Schade, dass das nicht geht.“
    „Und wenn doch?“
    „Wie meinst du
das?“
    Ungeduldig, als
wäre ich besonders schwer von Begriff, wiederholte er: „Ich meine, was wäre,
wenn es doch ginge? Wenn du diesen Sonnenuntergang noch mal sehen könntest?“
    Ich war
verwirrt. Um Zeit zu gewinnen, erhob auch ich mich langsam. Ich kam mir vor wie
bei einer Prüfung, auf die ich mich überhaupt nicht vorbereitet hatte. Was war
die richtige Antwort? Schließlich erwiderte ich zögernd: „Das wäre - schön.
Aber - wie soll das gehen?“
    „Mach dir
darüber mal keine Gedanken.“ Seine Stimme klang seltsam. Unentschlossen, als
stünde er vor einer schwierigen Entscheidung. Dann, als hätte er einen
Entschluss gefasst, der von weitreichender Bedeutung war, atmete er tief ein
und zog mich hoch. „Okay, komm!“
    Mein Herz
klopfte zum Zerspringen.
    Arik sah mir
ernst in die Augen. „Vertraust du mir?“
    Wieder eine
unerwartete Frage, aber ich nickte, diesmal ohne zu zögern. Sprechen konnte ich
nicht, weil mir unter seinem intensiven Blick aus solcher Nähe die Kehle eng
geworden war.
    „Dann schließ
die Augen!“ Auch seine Stimme klang belegt.
    Die ganze
Angelegenheit wurde immer bizarrer, und ich gab es auf, verstehen zu wollen,
worauf das alles hinauslief.
    „Bitte!“
    Jetzt klang
seine Stimme weich und verursachte mir eine Gänsehaut. Wie konnte ich ihm da
noch widerstehen? Gehorsam schloss ich die Augen und war mir nun umso
deutlicher seiner Nähe bewusst. Mit jedem Nerv meines Körpers konnte ich ihn
spüren. Seine Ausstrahlung. Und vor allem seine Hand, die die meine warm und
sicher festhielt.
    „Wir gehen jetzt
ein Stück. Aber du musst auf jeden Fall die Augen geschlossen halten.
Versprochen?“
    Ich nickte. Auch
wenn ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt einen einzigen Schritt tun
könnte. Meine Beine fühlten sich an wie Pudding.
    „Folge mir
einfach. Ich pass auf dich auf.“
    Unnötig, ihm zu
sagen, dass ich ihm überallhin folgen würde.
    Ich merkte, wie
er sich langsam in Bewegung setzte, widerstand der Versuchung, die Augen zu
öffnen, und tastete mich hinter ihm her. Es fühlte sich so an, als ob er mich
in gemächlichem Tempo einfach geradeaus führte. Wir liefen eine Weile, aber ich
war so von ihm gefangen, dass ich nicht hätte sagen können, ob es sich um
wenige Minuten oder eine halbe Stunde handelte, die verging, bis wir wieder
anhielten. Er drehte mich ein wenig, und die

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