Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
eigenen Interessen und Bedürfnisse mehr in die Freundschaft eingebracht werden. Der verdeckte Prozess kam mithilfe des Doppelsignals an die Oberfläche und machte im Konflikt auf sich aufmerksam.
Ein Konflikt verschafft uns die große Chance, diese Seite, die wir an uns nicht mögen oder noch nicht kennen oder vor der wir Angst haben, kennenzulernen. Deswegen geht es in der prozessorientierten Konfliktarbeit darum, dem verdeckten oder sekundären Prozess
zu folgen, auch wenn das Stoppschild uns einfacher und logischer erscheint. Dann haben wir bessere Chancen, z.B. hinter der Wut die Traurigkeit zu entdecken, die entstanden ist, weil wir zu wenig Wertschätzung erfahren haben. Wir brauchten dann in der Folge viel weniger wütend zu sein, weil wir dieses Gefühl jetzt verstehen und Strategien lernen können, um unser Bedürfnis nach Anerkennung auszudrücken.
Mit unseren unbeabsichtigten Signalen drücken wir aus, was wir wirklich wollen.
Auch wenn wir unsere unbeabsichtigten Doppelsignale selbst nicht bemerken, reagieren die anderen darauf. Haben Sie schon mal besonders friedliebende Menschen getroffen, die von Frieden sprechen und friedliches Miteinander einfordern und dabei andere nur irritieren und wütend machen? Oder Menschen, die von Toleranz und Gerechtigkeit viel reden, aber genau wissen, was die anderen zu tun und zu lassen haben, und mit ihren indirekten Abwertungen die anderen niedermachen und dann schließlich von ihren Gegnern niedergemacht werden, deren Toleranz sie dann wiederum einfordern? Diese Menschen merken das nicht, solange sie sich nach eigener Selbsteinschätzung doch einwandfrei verhalten. Sie haben keinen Zugang zu ihren Signalen, die sie unbewusst aussenden – die geschlossene Faust hinterm Rücken, das böse Flackern in den Augen, das Krächzen in der Stimme, die Forderung und das akustische Ultimatum in der Bitte usw. Würden wir diese Menschen darauf aufmerksam machen und sie bitten, damit aufzuhören, würden sie sich wahrscheinlich vehement gegen unsere Beobachtungen wehren. Weil sie, wie viele andere
auch, eine Grenze gegen aggressives Verhalten haben, schauen sie lieber nicht so genau hin und lehnen diesen Teil bei sich selbst und anderen ab.
Nicht nur unterdrückte Empfindungen, auch verbotene Stimmen und innere Figuren, die uns nicht bewusst sind, drücken sich mithilfe verborgener Signale aus. Andere reagieren darauf, haben plötzlich ähnliche Empfindungen oder werden ein bisschen wie die Figur, ohne selbst davon zu wissen. Arnold Mindell beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch Traumkörper in Beziehungen als ein psychologisches Feldphänomen, »es tritt ein, wenn abgespaltene Gefühle, Meinungen, Kritik, Traumfiguren usw., die aus dem gegenwärtigen sekundären Prozess eines Teils des Feldes stammen, (...) in einem anderen Teil des Feldes zu leben beginnen; diese werden im Gegenüber sozusagen aufgeträumt.«
Wir haben einen Konflikt mit anderen, aber in Wirklichkeit auch mit Teilen von uns selbst. Nun kommen wir nicht umhin, sie anzuschauen und ernstzunehmen. Als Beraterin oder therapeutische Begleiterin kann auch ich »aufgeträumt« werden. Darüber bekomme ich einen Zugang zu Gefühlen und Empfindungen, die meine Klienten noch nicht bewusst äußern können. Werden sie in der Konfliktarbeit oder in einem therapeutischen Prozess bewusst gemacht, kann die Verantwortung für die Signale wie auch für die dahinter verborgenen Wünsche übernommen werden.
Im normalen Leben gibt es diese Bewusstheit und das Wissen um diese Prozesse in der Regel nicht, weil wir es schlichtweg nicht gelernt haben und von einem illusionären Idealfall ausgehen, dass wir immer oder regelhaft mit unseren inneren Teilen in Übereinstimmung
wären. Andere mögen denken, dass Doppelsignale und unbeabsichtigte Botschaften nur in gestörten Beziehungen oder behandlungsbedürftigen Familien ausgedrückt werden. Dem ist nicht so.
Die Entdeckung der Spiegelnervenzellen, ein neurobiologisches Resonanzphänomen, wie es Wissenschaftler bei Menschen und Tieren feststellen konnten, bestätigt die Wirkung unserer Gesten, Empfindungen und Verhaltensweisen – auch der unbeabsichtigten – auf andere. In seinem Buch Warum ich fühle, was du fühlst beschreibt der Neurobiologe und Psychotherapeut Joachim Bauer, wie diese Spiegelnervenzellen oder Spiegelneuronen im Gehirn des beteiligten oder zuschauenden Menschen sowohl Handlungen als auch Empfindungen und Gefühle nachbilden. Diese Nervenzellen machen
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