Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will

primäre Prozess beispielsweise einer Gruppe sorgt für Zusammenhalt und Zugehörigkeit ihrer Mitglieder und wird stabilisiert durch die Zeitgeister einer jeweiligen Kultur. Wollen Einzelne oder Gruppen sich verändern, was übrigens ohne ihr bewusstes Wissen und Trachten ständig passiert, müssen sie in der Regel über die Grenze ihrer primären Identität hinausgehen. Da dies selten leicht möglich ist, sorgt ein noch verdeckter oder als nicht zugehörig erlebter sekundärer Prozess für den notwendigen Ausdruck der verborgenen Veränderungswünsche.
    Alte Identitäten und Grundsätze müssen hinterfragt werden, wenn wir unsere Träume entfalten und uns verändern wollen.
    Zum sekundären Prozess gehören alle Verhaltensweisen, Ansichten und verdeckten Signale, mit denen wir als Gruppe oder einzeln lieber nichts zu tun haben wollen: So bin ich nicht, so denke ich nicht, das würde ich nie tun. In der Regel unterdrücken wir diese oder
finden heimliche Orte für ihren Ausdruck, wenn wir die Grenze noch nicht bewusst passieren können. Sie sind die Boten der Traumwelt, die sich einen Weg in unsere Wirklichkeit bahnen will. Alte Identitäten, Stimmen und Grundsätze versperren noch den Weg und hindern uns, den verborgenen Traum zu entfalten. Ist dieser sehr stark und wichtig, übernehmen unsere unbeabsichtigten Signale – in der Prozessarbeit werden sie auch Doppelsignale genannt, weil sie sich hinter unseren beabsichtigten Sätzen und Verhaltensweisen verbergen – ohne unser bewusstes Zutun die Gestaltung unserer Beziehungen und wir wundern uns über die Konflikte, die sie klammheimlich entfachen.
    Kommunikationsregeln reichen nicht aus, um Konflikte zu verstehen und sie zu lösen.
    Konflikte sind im Grunde genommen Zufluchtsorte wie auch Kampfplätze für unsere tiefsten Veränderungswünsche, die sich ihren Weg an die Oberfläche bahnen. Prozessorientierte Veränderungsarbeit widmet sich besonders diesen verborgenen und verbotenen Boten, sie verstärkt oder vergrößert sie sogar, um ihre Nachricht zu entschlüsseln. Das ist erst einmal ungewöhnlich. Sollte eine Wut oder eine Aggression nicht besser dauerhaft unterdrückt bleiben, damit wir in Frieden zusammen leben können? Warum sich die Schattenseiten anschauen und all den Mist und Müll, den wir dabei entdecken könnten? Sollten wir nicht besser alle schnell liebevoller kommunizieren und entsprechende Regeln lernen? Leider reicht das in vielen Konfliktsituationen nicht, weil die Menschen ja nicht absichtlich oder aus Dummheit da hineingeraten, auch wenn es manchmal so aussehen mag. Es gibt hinter allen
konfliktträchtigen Gefühlen und Verhaltensweisen wie z.B. Ärger, Wut, Neid usw. eine tiefere Motivation, die genau diese Empfindungen hervorruft. Wenn wir unsere Empfindungen bloß wegdrücken, dann drücken sie sich selbst in der Folge ohne unser aktives Zutun aus. Wir sagen beispielsweise »Ja, gerne« zu Menschen und schütteln dabei mit dem Kopf, wir sagen etwas Liebevolles zu einer anderen Person und wenden uns gleichzeitig ab. Wenn wir Konflikte haben, dann gibt es einen hintergründigen Prozess in uns, in beiden Konfliktpartnern und vielleicht sogar in der ganzen Gruppe. Es lohnt sich, den in diesen Prozess eingewobenen Traum kennenzulernen und ihm eine Berechtigung zu geben. Gewalt, Missbrauch und andere Menschen verletzende Verhaltensweisen können auf diese Weise umgangen werden.

Doppelte Botschaften aus dem Reich der Wünsche und Träume
    Stellen Sie sich vor, in Ihrem Leben besteht eine langjährige Freundschaft, in der sich bestimmte Regeln eingeschlichen haben. Zum Beispiel sprechen Sie es lieber nicht an, wenn Ihnen etwas nicht passt, oder Sie finden Ausreden, wenn Sie keine Lust haben, sich zu treffen. Sie denken, die andere Person ist zu empfindlich für die Wahrheit. Eines Tages senden Sie eine SMS an einen Bekannten und beklagen sich über Ihre Freundin. Die SMS aber landet aus Versehen auf deren Handy. Nun haben Sie wahrscheinlich ein Problem und bald einen dicken Konflikt. Die Geschichte ist in ähnlicher Form tatsächlich passiert und das war gut so. Die beiden Freundinnen kämpften ordentlich miteinander, wollten sich erst nie mehr sehen und sind heute dickere Freundinnen als vorher. Trennendes darf jetzt ausgesprochen werden.
    Die falsch gelandete SMS war ein unbeabsichtigtes und dennoch sehr wirkungsvolles Signal, ehrlicher als alle Worte und bewussten Überlegungen. Der Traum im Hintergrund dieses Geschehens wollte, dass die