Hinterhalt am Schwarzen Fels
darauf, dem TKKG-Häuptling
»toi-toi-toi« zu wünschen oder ihm über die Schulter zu spucken.
Tim ging mit Langsasse zum
Eingang. Schräg über ihnen, oberhalb von Dunst und Wolken, brummte sich ein
City-Jet im Steigflug auf Reisehöhe. Tim klingelte und hörte im Bungalow das
Geräusch einer Tür, dann Schritte in der Diele. Die Haustür besaß weder Spion
noch Fenster. Landres öffnete. Er trug einen lappigen Jogginganzug. Nackte Füße
steckten in offenen Sandalen.
Tim beobachtete ihn genau. Für
eine Sekunde war Überraschung auf Landres’ Gesicht. Tims Anblick löste die aus.
Dann wurde Langsasse bemerkt, der seitlich stand — und Landres’ Gesichtszüge
gerieten durcheinander, als wären Ohrfeigen eingeschlagen rechts und links
gleichzeitig.
Er kennt ihn, dachte Tim. Er
kennt Rebis Vater. Bestimmt nicht persönlich, aber von ‘nem Bild. Klar doch!
Der drahtziehende Handlanger, der Oberverräter und Heuchler-vorm-Herrn muss
total informiert sein.
Tim grinste. »Hallo! Ihnen
geht’s ja schon viel besser, wie man sieht. Das ist Dr. Langsasse, der Vater
von Rebecca. Wir möchten mit Ihnen reden.«
Landres schluckte. Er hatte auf
der Zunge, das irgendwie abzuwimmeln. Aber welche Ausrede hätte da getaugt?
Nicht mal die Behauptung, sein Haus wäre verseucht von zehn Kilo
Milzbranderregern.
»Bitte!«, murmelte er steif,
nachdem er Langsasse zugenickt hatte, und trat zur Seite. »Aber bei mir ist nicht
aufgeräumt.«
»Wir machen ja keinen
Höflichkeitsbesuch«, erwiderte Tim zweideutig.
Im Wohnraum sah es wüst aus.
Aber nicht erst seit kurzem. Chaotischer Schweinestall schien Dauerzustand zu
sein in Landres’ Umfeld. Und auf dem Tisch inmitten des Gerümpels eine Flasche
mit sauteurem Champagner, dazu ein Bierglas, das halb gefüllt und von Kälte
beschlagen war.
Er feiert, dachte Tim. Aus
seiner Sicht hat er auch allen Grund dazu. Dann machte Tims Herz einen
Luftsprung, denn der Zufall spielte ihm zu. Auf dem Tisch — neben Aktenordner,
einem Ferienprospekt von Marbella, dem Portmonee, einer prallen Brieftasche und
einem offenbar neuen oder als Ersatz vorhandenen Handy — lag der kostbare,
lederne Terminer. Der mit dem verhängnisvollen Rufnummerverzeichnis.
Landres bot keinen Platz an.
Sie blieben stehen, Landres mit dem Rücken zu einer Couch, Tim und Langsasse
ihm gegenüber.
»Können Sie sich vorstellen,
Leibwächter«, sagte Tim, »wozu ein verzweifelter Vater fähig ist, wenn er das
Schwein zu fassen kriegt, das seine Tochter Kidnappern ausgeliefert hat —
Terroristen? Nein, Landres, das können Sie nicht. Dafür haben Sie zu wenig
Fantasie. Aber ich sag’s Ihnen. Der bricht Ihnen sämtliche Knochen. Und ich,
Landres, helfe ihm dabei. Jedes Gericht der Welt«, behauptete Tim, »wird dafür
Verständnis haben. Zumal ja außerdem Kevin, Detlef, Gabriel und Paula auf Ihre
Rechnung gehen. Und — man glaubt es wirklich kaum — auch Hendrik. Dessen Leben
und Gesundheit Sie beschützen sollen. Aber ein fetter Anteil an den 50
Millionen Euro Lösegeld ist natürlich lukrativer.«
Stille. Niemand schien zu
atmen. Landres’ Teint, eben noch champagnerfrisch, sah jetzt aus wie
Erbrochenes von gestern. Um das Zittern der Hände zu verstecken, presste er sie
seitlich an die Oberschenkel.
Tim machte einen raschen
Schritt, schnappte sich den Terminer und hatte mit Landres’ impulsiver Reaktion
gerechnet. Die erfolgte sofort. Ohne nachzudenken, warf sich der Kerl auf Tim.
Eine überstürzte Aktion. Tim konterte mit dem Ellbogen. Das Jochbein rechts
knackte vernehmlich. Landres schrie auf und flog rücklings auf die Couch. Aus
der Nase, obwohl die gar nicht getroffen war, rann Blut.
Tim klappte den Terminer auf
und zeigte Langsasse die Telefonnummern.
»Hier — Ihre, Herr Doktor. Die
hier ist von Paola Beneviste. Unter dieser Handynummer meldet sich der Anführer
der Terroristen. Und sehen Sie sich das an.«
Tim trat zu Landres und schob
dessen Sweatshirt nach oben. Wie erwartet, er trug nichts darunter. Eine
haarlose Brust, sonnengebräunt, trainierter Waschbrettbauch.
»Nicht die geringste
Verletzung«, sagte Tim. »Nicht die Andeutung von einem blauen Fleck. Und das
nach einem mörderischen Rammstoß mit dem Lauf der MP in den Magen. Logo, dass
man sich dann nicht untersuchen lassen kann vom Polizeiarzt. Der würde staunen
über diese Art von Heilfleisch.«
Tim trat zum Tisch, nahm die
Champagnerflasche am Hals, stellte fest, dass sie halb leer war, ging zum Kamin
— den es hier gab
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