Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
der Hand wiederaufzutauchen. Ich presse ihm den kurzen Lauf so fest ins weiche Fleisch unter dem Kinn, dass ich ihm damit die Haut aufschürfe, und sage sachte:
»Schschsch.«
Freckles erstarrt, als würde er auf einer Landmine hocken, und weil er schlecht nicken kann, blinzelt er zweimal, um anzuzeigen, dass er mich verstanden hat. Er muss nicht wissen, wie es dazu kommen konnte, dass meine Pistole auf sein Hirn zeigt, er muss nur wissen, dass es so ist.
»Gut«, sage ich. »Jetzt lass die Waffe fallen.«
Was zum Teufel sage ich da?
Lass die Waffe fallen?
So werden in der wirklichen Welt doch keine Schlachten geschlagen. Wenn jemand vorhat, dich zu erschießen, machst du ihn kalt. Man lenkt eine solche Situation nicht in Bahnen, in denen der Betreffende Gelegenheit bekommt weiterzuatmen.
Freckles’ Pistole fällt laut klappernd zu Boden, aber nicht laut genug, um die Jungs von draußen auf den Plan zu rufen.
»Pack aus«, sage ich zu ihm. Wenn er mir auch nur eine Silbe Bullshit erzählt, werde ich ihn, so wahr mir Gott helfe, mitsamt selbigem ins Jenseits befördern.
»Machtspielchen«, sagt er. »Ich und Mike. Er wollte aufrücken.«
Wie ich gedacht hatte. Freckles und Mike: zwei aufstrebende Möchtegern-Shakespeare, die gemeinsame Sache machen wollten.
Ich nicke Shea zu, der jetzt nicht mehr kaut, sondern mit heruntergeklapptem Unterkiefer am Tisch sitzt.
»Da hörst du’s«, sage ich.
Und noch bevor Shea die Worte herausbringt, weiß ich genau, was er sagen will:
»Einen Mann wie dich könnte ich gebrauchen.«
Dann:
»Erschieß das blöde Arschloch.«
Ah, Harvard. Dein Glanz vergeht wie Tautropfen in der Mittagssonne.
Ich sollte Freckles und Shea zusammen erledigen. Mit der Schalldämpferpistole wäre das kein Problem, KFC und seinen Partner draußen im Flur gleich mit, so dass es in ein echtes Blutbad ausartet. In Massenmord.
Wenn ich schon einen Massenmord begehe, dann wenigstens richtig. Ich finde, Mike, seine Jungs und Krieger und Fortz müssen auch noch dran glauben.
Das sind so viele, dass ich mich damit allmählich in Kriegsverbrecherdimensionen bewege.
Dabei rede ich mir an kalten Winterabenden ein – wenn ich an all die Gespenster denke, die mich in meinen schlaflosen Nächten verfolgen –, dass ich in Wirklichkeit gar nicht so schlimm bin. Klingt kindisch, ich weiß, aber um drei Uhr morgens ist das ein gutes Mantra.
Ich bin gar nicht so schlimm. Manchmal singe ich das zur Melodie von »In the Name of Love« von U 2 . Wenn jemand bei mir übernachtet, verkneife ich’s mir natürlich.
»Ich kann dir Geld geben, McEvoy«, sagt Freckles und kommt mit dem unausweichlichen Gegenangebot. »Im Wagen hab ich Bargeld. Fluchtkapital. Hunderttausend.«
Ich verpasse ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, der ihn – wie wir Türsteher sagen – in Erlöserhaltung auf den Schreibtisch knallen lässt.
»Das glaube ich dir sofort, Freckles. Danke für den Tipp.«
»Du verfluchter Drecksack. Ich hab dir vertraut.«
Im Kopf des Älteren dröhnt es, und er interessiert sich nicht für Sheas Mist.
»Scheiß auf dich. Du bist nicht mal ein Mann. Ich schulde dir nichts.«
»Erschieß ihn, McEvoy. Freckles ist mein Angestellter, ich habe mehr auf der hohen Kante als er. Das versteht sich doch von selbst.«
Ich nehme Freckles’ schallgedämpfte Pistole und bohre ihm den Lauf in die Arschbacke. »Das leuchtet ein, Freckles. Wie willst du als Einwanderer aus Donegal da noch was drauflegen?«
»Du kannst das Geld haben und den Wagen. Die Schlüssel sind in meiner Tasche.«
Er wackelt mit dem Arsch, und die Schlüssel klappern. Für ihn ist das erniedrigend. Kein Mann über fünfzig sollte gezwungen werden, mit dem Arsch zu wackeln. Eigentlich müsste es ein Gesetz dagegen geben.
Ich taste nach dem Klappern und finde einen Schlüsselbund, ein Parkticket und ein Handy. Aber keinen Autoschlüssel.
»Das sind Hausschlüssel, Freckles.«
»Der Schlüsselanhänger ist es, McEvoy. Fernbedienung.«
Na, das ist ja praktisch.
»Das ist ja praktisch«, sage ich und stecke die Schlüssel, das Ticket und das Handy ein.
Jetzt kann ich verstehen, was so toll daran ist, Leute zu bestehlen. Man läuft einfach mit einer Knarre durch die Gegend und nimmt sich, was man will.
»Erschießt du das kleine Arschloch jetzt endlich?«, drängt mich Freckles. »Der macht das ganze Business kaputt.«
Shea nimmt eine Handvoll Hummus und schmiert ihn Freckles ins Gesicht. »Und dann willst du gleich einen Mord
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