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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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vielleicht kam im Garten des Gotteshauses auch
     eine Familie zusammen, deren Mitglieder in Dickichten verschwanden, und wenn die Wildnis unheimlich wurde, traten sie heraus
     und trafen sich im Freien.
    Jetzt war die Stunde der Trübnis und der Vertrübung. Jetzt war die Stunde, daß Ewa Zofia, das flatternde Geschöpf im Nebel
     über dem Stumpfkegeldach, vergebens nach Heliodor Ausschau hielt, sie konnte nicht gleichzeitig hier und dort sein, es mochte
     sich der Himmel noch so sehr weiten, sie entschied, der betrübten Olivia und dem Kummervollen Tau auf das Haar zu wünschen,
     auf daß sie sich nicht mehr nach Abschieden sehnten. Ihr ehemaliger Mann, den sie bekocht hatte und für dessen Bürgerbauch
     sie mitverantwortlich war, aß zu Hause eine Scheibe Schmalzbrot mit Wacholdergeschmack,er plante, seinen Keller weiter auszuschachten, vielleicht fand er außer Pflaumenkernen alte Gegenstände von Wert.
    Jetzt war aber die Stunde, da Ewa Zofias Seele von einem Abwind leicht in die Höhe geweht wurde, Jacek kam durch die Unterführung,
     auch ihn hatte die Witwe verständigt, auch er sollte den Handel, von dem sie hoffte, er würde in einigen Tagen zu einem glänzenden
     Abschluß führen, mit einem Handschlag besiegeln: Der Tatar zögerte kurz und gab ihm höflicherweise dann doch die Hand. Er
     darf ja nicht fehlen, sagte Daniel Heister, auch der Pförtnergeselle hat sich verbessert, er glaubt, er sei als Witwentröster
     und als Geschäftsmann unschlagbar. Wir werden sehen … Was genau werden wir sehen? sagte Ferda … Ein gutes Geschäft reicht
     ihm nicht, er will noch mehr herausschlagen. Er kleidet sich wie ein pomadisierter Tangojüngling, er bestellt in der Bar Campari
     mit Grapefruitsaft und schlägt noch vor dem ersten Schluck die Beine übereinander, damit auch jeder seine teuren Strümpfe
     sehen kann …
    Er trug seine große Anklage weiter vor, und Ferda beschloß, diesen Ankläger im Zwielicht, und auch all die anderen, auf der
     Stelle zu verlassen, er verabschiedete sich von der Dame Vlasta, die aus ihrer Stofftasche ein nicht eingepacktes Geschenk
     für Aneschka hervorholte, er sah an einer Plastikstange aufgereihte kleine Haken, an denen Glücksbringer hingen, die Zwergendame
     sprach von Cocktailmerkern, wenn man sein Glas abstellte, würde man es später wiederfinden, und seltsamerweise zeigte sie
     auf jede Plastikfigur und benannte sie: Ferkel. Hufeisen. Edelweiß. Kleeblatt. Fernglas. Kaminkehrer. Dackel. Weinflasche.
     Anker. Schwarzwaldhäuschen. Reh. Fliegenpilz. Sie würde hier bleiben, einige wenige Tage, eine ganze Woche, vielleicht sogar
     anderthalb Wochen, es wäre zwar unziemlich, mit einem Tatarenmann unter einem Dach zu hausen, doch von ihm ginge keine Gefahr
     aus, er hätte ihr von der einzigen halbwegs gepflasterten Straße erzählt,die durch sein Dorf führte, und von den Holzmoscheen mit der Zwiebelkuppel auf dem Minarett, der Herr Sobolewski würde schnitzen
     und, wenn ihm die Finger weh taten, ein Kartoffelküchlein backen …
    Ja, sagte Ferda und ging davon. Sie alle schauten ihm hinterher, Schlammspritzer an beiden Hosensäumen, er sollte die Hose
     wechseln. Nur die Witwe, sie verschwendete keinen Gedanken an ihn, sie fror, sie hatte eine böse Vorahnung. (Wird es zu einem
     glänzenden Abschluß kommen? In den folgenden Tagen schnitzt der Tatar, er schnitzt und schnitzt, und unter seinen Händen entstehen
     die Köpfe von Freifrauen, Ammen, Pagen, Henkersknechten, Helm- und Rüstungsschmieden, von Pechsiedern. Er versucht vergeblich,
     schöne Nasen herauszuarbeiten, es gelingt ihm nicht, und vor Zorn hackt er, mit je einem Hammerstoß auf das Griffende des
     Beitels allen Gesichtern die Nase ab. Und auch sein Versuch, die Augen kleiner zu gestalten, mißlingt. Die Witwe, herbeigerufen
     zur Präsentation, starrt auf die nasenlosen glupschäugigen Vollmondgesichter, auf die Lippen hat dieser grobe Mensch ein leuchtendes
     Kirschrot aufgetragen, die Köpfe stehen nebeneinander auf den Blumenbänken, und da begreift die Witwe. Sie ordnet ihre Gedanken
     und faßt sie in vier Punkten zusammen: 1. Der wilde Mongole hat ihren Plan zunichte gemacht, die Originale gegen Fälschungen
     einzutauschen. 2. Die echten Köpfe, elf an der Zahl, befinden sich im Besitz ihrer beider Liebhaber. Edison wurde wie üblich
     überstimmt, und man bedachte den deutschen Altwarenhändler mit einer großzügigen Summe. Der Mann und die Frau, in deren Kellerloch
     einst ein deutscher

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