Hiobs Brüder
Helmsby mitgenommen, bevor er weggegangen ist.«
Alan sah ihn an. Sie hatten noch nicht häufig über Edmunds Fortgehen gesprochen, weil das Thema für sie beide schmerzlich war, aber mit einem Mal schien Oswald mit dem Verlust ihres sonderbaren Hirten versöhnt zu sein.
»Was hat er zu dir gesagt, als er aufbrach?«, fragte Alan.
Oswald hob die rundlichen kleinen Hände. » Ich muss noch was erledigen, und dann geh ich zu Jesus . Oder so ähnlich.«
Alan wies auf die Gebeine. »Du meinst also, das da ist unser King Edmund?«
Oswald sah ihn verständnislos an. »Ja, wer denn sonst? Was ist mit dir, Losian? Du hast gesagt, wir reiten zu seinem Grab.«
Alan musste sich räuspern. Er wusste überhaupt nicht mehr, was er denken sollte.
»Es kann nicht sein«, murmelte Simon mit Nachdruck. Er klang beinah wütend. »Alan, das ist unmöglich .«
»Ja, ich weiß«, räumte Alan ratlos ein.
»Es könnte Dutzende Erklärungen dafür geben, wie das Messer in den Sarg kommt«, sagte Godric. Aber auch er klang nervös. »Vermutlich war er selbst hier und hat es reingeschmuggelt, weil er genau wusste, dass wir früher oder später herkommen würden. Er hat uns einen Streich gespielt. Sieht ihm ähnlich, oder?«
»Nein«, antworteten die anderen im Chor.
Godric schnalzte mit der Zunge – es hallte eigentümlich in der stillen Kirche. »Mist. Ihr habt recht. Und was nun?«
Niemand antwortete.
Schließlich sagte Simon: »Wir werden hier keine Lösung dieses Rätsels finden. Also lasst uns den Sarg schließen, einen Augenblick beten und dann verschwinden.«
Und das taten sie.
Als sie das Kirchenportal erreichten, hielten sie noch einmal inne und schauten zurück. Bewegte sich dort etwas im Schatten hinter dem Altar? Oder war es nur das Flackern des kleinen Lichts, welches das Auge täuschte?
Simon atmete tief durch, und im Schein der Fackel sah man die große Dampfwolke, die sein Atem in der Winterluft bildete. »Mir ist kalt und mir graut«, brummte er.
»Mir auch«, stimmten die Zwillinge im Chor zu.
Alan legte die Hand an die Tür. »Ruhe in Frieden, King Edmund. Kommt, Freunde. Nichts wie raus hier.«
Oswald schüttelte den Kopf. »Also ehrlich«, sagte er. »Manchmal seid ihr merkwürdig.«
E * N * D * E
Historische Anmerkungen und Dank
Henry II. herrschte fünfunddreißig Jahre lang über England und seine Besitzungen in Frankreich und begründete zusammen mit seiner außergewöhnlichen Frau eine der faszinierendsten Herrscherdynastien des Mittelalters. Der kleine Prinz William wurde nur drei Jahre alt, aber ihm folgten vier weitere Söhne und drei Töchter. Louis von Frankreich war not amused .
Henrys Regierungszeit war so stürmisch wie sein Temperament: Mit einer unbedachten Äußerung initiierte er die Ermordung seines Freundes Thomas Becket, der inzwischen Erzbischof von Canterbury geworden war und auf diese Art und Weise tatsächlich ein Märtyrer und Heiliger wurde, womit er wohl nie gerechnet hätte. Der Bischofsmord war ein Ereignis, das die gesamte Christenheit bis in die Grundfesten erschütterte, für Henry ein politischer Super-GAU und eine persönliche Tragödie. Auch mit seinen Söhnen hatte er es nicht gerade leicht. Sie führten ewig Krieg gegen ihn oder untereinander, sobald sie alt genug waren, ein Schwert in der Hand zu halten. Die Ehe mit Aliénor (oder Eleanor, wie sie meist genannt wird) wurde eine Katastrophe. Henry betrog sie ständig, und als sie mit ihren Söhnen gegen ihn paktierte, ließ er sie jahrelang einsperren. Sie überlebte ihn allerdings um fünfzehn Jahre, kehrte nach seinem Tod zurück zu politischer Macht und dürfte sich wohl als Siegerin in diesem langen Ehekrieg betrachtet haben, zumal es ihr Lieblingssohn Richard (später »Löwenherz« genannt) war, der ihren leidenschaftlich gehassten Gemahl fast buchstäblich ins Grab trieb.
Dank seines politischen Talents und seiner legendären Tatkraft wurde Henrys Herrschaft über England eine Blütezeit. Die Wunden, die die Anarchy geschlagen hatte, heilten erstaunlich schnell, denn Henry band auch die einstigen Gegner seiner Mutter in die Regierung ein. Nur William of Gloucester und Richard de Clare kamen bei ihm nie auf einen grünen Zweig. Niemand weiß so recht, woran das lag, also habe ich mir hier wieder einmal erlaubt, die Gründe zu erfinden.
Das neue Rechtssystem, das Henry einführte, war bahnbrechend und hat teilweise bis heute Bestand. Es stimmt übrigens, dass er 1147 im Alter von vierzehn Jahren nur mit
Weitere Kostenlose Bücher