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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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Höhle eingestiegen«, sagt sie, während sie sich die Hände
wäscht. »Und dann ist er abgestürzt. Weil jemand oben das Seil durchgeschnitten
hat, an dem er hing.«
    Wiktor sieht Marjana und Luba an. Wie kann er ihnen ohne Worte
mitteilen, dass sie jetzt ruhig bleiben sollen, dass sie nicht schreien, nicht
weinen und nicht lachen sollen. Dass sie so tun sollen, als hätte das alles
nicht das Geringste mit ihnen zu tun, und so, als verstünden sie nicht, worum
es hier überhaupt geht.
    Abgestürzt! Wiktor kann es nicht glauben. Etwas Besseres kann ihnen
überhaupt nicht passieren. Können drei Menschen so viel Glück haben? Womit
haben sie das verdient? Haben sie es überhaupt verdient?
    Er könnte seine beiden Gefährtinnen umarmen. Und die Kommissarin
könnte er küssen für diese gute Nachricht. Alle Verfolger kampfunfähig. Das ist
eine wunderbare Nachricht. Oder freut er sich jetzt zu früh?
    »Das Seil abgeschnitten?«, heuchelt Wiktor. »Wer macht denn so was?«
    »Wissen Sie’s?«, fragt die Kommissarin.
    Die drei sehen sich an.
    »Woher sollen wir das wissen?«
    »Weil Sie auch in der Nacht dort oben herumspaziert sind.«
    »Wie tief ist er denn …?«, will Wiktor wissen.
    »Sie waren doch selbst drinnen in der Höhle. Sie müssen also gesehen
haben, wie tief es war.«
    »Ich habe keinen Boden gesehen, nur dass es wirklich tief
runterging, vielleicht vierzig oder fünfzig Meter.«
    »Zu Ihrer Information: Die Fallhöhe betrug etwa hundertfünfzig
Meter.«
    Luba schüttelt sich. Er ist also todsicher tot, denkt Wiktor.
Erledigt. Jurijs Geheimwaffe.
    »Denken Sie, einer von uns hat dieses Seil durchgeschnitten?«,
schaltet Marjana sich wieder ein.
    »War es denn einer von Ihnen?«
    »Das ist doch absurd!«, brüllt Marjana. »Warum sollten wir so etwas
tun? Hören Sie, ich glaube, Sie begreifen nicht, mit wem Sie es hier zu tun
haben. Ich bin eine anerkannte Wissenschaftlerin. Ich habe einen Ruf zu
verlieren! Warum sollte ich in diesen Bergen, in denen ich gerade Urlaub mache,
einen Menschen töten? Wo sind denn hier die Zusammenhänge? Können Sie mich da
mal aufklären?«
    »Sie haben seit Ihrer Ankunft in Berchtesgaden am 15. Mai im noblen
Hotel Interconti auf dem Obersalzberg residiert. Zehn Tage später haben Sie
fluchtartig das Hotel verlassen und sind in eine Ferienwohnung in der Unterau
umgezogen. Warum?«
    »Haben Sie eine Ahnung, was dieser Luxusbunker dort oben pro Nacht
kostet?«, fragt Wiktor. »Außerdem wollte ich nicht die ganze Zeit wie ein
feiner Pinkel residieren.«
    »Ja, da hat sich Wiktors proletarisches Gewissen geregt«, sagt Marjana.
»Deshalb hat er uns in diese Wohnung gebracht. Lang hätte ich das nicht mehr
mitgemacht, das dürfen Sie mir glauben.«
    Leni springt auf. Sie hat das Gefühl, wenn sie nur noch fünf Minuten
länger in diesem Raum sitzen und diesen Geschichten zuhören muss, dann platzt
sie. Sie gibt Weidinger ein Zeichen und verlässt mit ihm den Raum. Lebow bleibt
bei den drei Ukrainern.
    »Ja Herrschaftzeiten, die lügen doch wie gedruckt. Oder kaufen Sie
denen diese Urlaubergeschichten ab?«
    »Mein Instinkt sagt mir, dass hier etwas im Busch ist, etwas, von
dem wir keine Ahnung haben«, antwortet Weidinger. »Aber wir haben nichts in der
Hand gegen die drei. Nicht mal Anhaltspunkte. Wir haben sie im vagen Verdacht,
als Falschgeldkuriere nach Deutschland gekommen zu sein. Dagegen sprechen
mehrere ganz gewichtige Argumente.«
    »Aha? Lassen Sie hören. Hat das LKA schon was anfangen können mit den Personaldaten der drei?«
    »Soweit wir es bisher überprüfen konnten, ist keiner von ihnen in
einer einschlägigen Kartei erfasst. Es handelt sich tatsächlich um bisher
unbescholtene Bürger. Und es gibt anscheinend auch keine Verbindung zur Mafia.
Dieser Wiktor ist so was wie ein Volksheld, weil er als Hubschrauberpilot
während der Tschernobyl-Katastrophe im Einsatz war.«
    »Wirklich?« Leni schüttelt ungläubig den Kopf.
    »Die Historikerin ist bei einer Stiftung als wissenschaftliche Mitarbeiterin
angestellt, und die Jüngere, Luba Munin, arbeitet in einer Fabrik und ist Motorradfahrerin.
Sie hat im Internet so ein Blog, schreibt über ihre Fahrten in die radioaktiv
verseuchte Gegend um Tschernobyl.«
    »Das gibt’s doch alles gar nicht. Hat Kollege Lebow das mit dem
Vortrag am Obersalzberg nachgeprüft?«
    »Ja, hat er. Es stimmt. Der Berchtesgadener Anzeiger hat tatsächlich
darüber berichtet. Mit Foto.«
    »Wir haben also überhaupt nichts gegen die

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