Hirschgulasch
drei in der Hand. Nichts.
Sie sind am Flughafen bei der Einreise sogar kontrolliert worden, und es wurde
nichts gefunden. Es ist auch kein Falschgeld aufgetaucht seit Anfang Mai.
Entweder sind die Blüten so wahnsinnig gut, dass sie noch keinem als Falschgeld
aufgefallen sind, oder der Verbindungsmann – dieser Reichenberg oder wer
auch immer – hat sie gebunkert, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Es gibt
für uns also keinen Anlass, einen der drei festzunehmen oder auch nur
festzuhalten.«
»Das ist es ja, was mich so verrückt macht. Wir ahnen, da könnte irgendwas
sein, irgendwas Großes womöglich, warum sonst taucht einer wie dieser Wladimir
López hier auf? Trotzdem können wir überhaupt nichts tun.«
Weidinger tätschelt gerade wieder seinen Bart, und Leni denkt, dass
sie das auf die Dauer verrückt machen würde.
»Es gibt solche Fälle«, sagt Weidinger. »Es sind die Grenzfälle von
Wahrheit und Dichtung, Ahnung und Einbildung, Euphorie und Frustration. Wie im
richtigen Leben halt. Da haben wir auch nicht immer alles unter Kontrolle.«
»Bin ich froh, dass ich ab morgen weg und ganz woanders bin.«
»Hoffentlich nehmen S’ nicht zu viel mit aus diesem Jammertal. Ihren
Fall haben Sie ja bravourös gelöst. Ich werde jetzt trainieren und Sie dann im
Herbst, wenn Sie wieder runterkommen von der Alm, zu einem Segway-Wettrennen
herausfordern. Wie ist es, gilt’s?«
Weidinger streckt seine Hand aus, und Leni schlägt ein. »Freilich
gilt’s.«
Berchtesgaden, 2. Juni 2010
»Weg, weg, weg!«, schreit Marjana, als sie in die Wohnung
zurückkommen, und schubst Luba und Wiktor zur Seite. Auf dem Weg zum
Kleiderschrank sieht sie durchs Fenster, wie der Streifenwagen, der sie eben
von der Befragung in Berchtesgaden zurückbrachte, links in die Hauptstraße
einbiegt.
Sie reißt die Schranktür auf, kramt im obersten Fach herum und
ertastet endlich den gesuchten Flachmann, aus dem sie einen kräftigen Schluck
nimmt.
»Sind die denn noch bei Trost? Uns auf nüchternen Magen mitzuteilen,
dass wir nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit längst unter einer eineinhalb
Meter hohen Humusschicht begraben sein müssten?« Marjana nimmt noch einen
Schluck, dann lässt sie sich aufs Bett fallen.
»Jetzt sieh das Ganze doch mal positiv«, meint Luba. »Wir haben es
geschafft. Jurij kann uns über Nacht keinen neuen Killer auf den Hals hetzen.
Wahrscheinlich wundert er sich immer noch, warum sich sein treuer Diener
Wladimir nicht mehr bei ihm meldet. Und was auch immer da am Eistrichter
passiert ist: Auch dieser Reichenberg kann uns nicht mehr auflauern. Selbst die
Polizei kann uns nichts am Zeug flicken. Hey, Marjana, wir sind frei!«
»Aber wir müssen trotzdem weg, und zwar so schnell wie möglich, da
hat Marjana recht«, sagt Wiktor. »Wer weiß, vielleicht fällt der Polizistin
schon in einer Stunde ein, dass sie gern unsere Bude durchsuchen will. Was
machen wir, wenn sie unsere Goldvorräte entdeckt? Außerdem ist ja dank Marjanas
verantwortungsvollem Umgang mit dem Falschgeld immer noch nicht ausgeschlossen,
dass plötzlich irgendwo Blüten auftauchen, von denen eine Verbindung zu uns
hergestellt werden könnte.«
Er sieht Marjana grimmig an. »Also los, weg! Wir packen zusammen,
mieten uns in Salzburger Banken Schließfächer und verkaufen ein paar der
Goldbarren, damit wir Bargeld haben und auf einigen Konten Einzahlungen
vornehmen können.«
»Wie viel bekommen wir denn für unser Gold?«, fragt Luba.
»Letzte Woche lag der Goldpreis bei knapp zweiunddreißigtausend Euro
pro Kilo. Wir müssten also knapp zwei Millionen bekommen, wenn wir die ganzen
sechzig Kilo tauschen würden. Aber das tun wir nicht, oder?«, fragt Marjana.
»Wenn man die ganze Aufregung bedenkt und dass wir fast Opfer von
gleich zwei Verbrechern geworden wären, ist das eigentlich gar nicht so viel
Geld«, meint Luba.
»Das ist doch nur das, was wir jetzt in unseren Rucksäcken haben.
Wenn du wieder etwas brauchst, fliegst du nach Salzburg, von dort bist du in
einer halben Stunde in Berchtesgaden und kannst an einem Tag wieder einen
Rucksack voll aus der Höhle holen, sooft du willst. Es wird nie ausgehen.«
Marjanas Stimme schnappt fast über. »Du hast doch gesehen, was noch in unserer
Höhle liegt. Also beschwer dich nicht, dass das, was wir haben, zu wenig ist.
Aber tot oder eingesperrt, da geb ich dir recht, nützt dir der größte Schatz
auch nichts. Also Kinder, einpacken, Taxi rufen und auschecken. Kiew,
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