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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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eingeladen.«
    »Und den haben Sie auch gehalten?«
    »Natürlich. Ich glaube, es gab auch einen Bericht in der Zeitung.
Haben Sie den nicht gesehen?«
    »Nein, leider. Wann war denn der Vortrag?«
    »Ja also, ich glaube, das war, Moment, ja, am 24. Mai.«
    Die Kommissarin gibt ihrem jüngeren Kollegen ein Zeichen, wahrscheinlich
dass er diese Fakten überprüfen soll.
    »Sie sind also in Frankfurt angekommen. Und wie ging’s dann weiter?«
    »Dann sind wir mit dem Zug nach München gefahren.«
    »Wieso sind Sie nicht nach Salzburg geflogen?«
    »Wir wollten etwas sehen von Deutschland. Das Olympiastadion in
München zum Beispiel. Meine Mutter war Olympiateilnehmerin«, sagt Marjana.
    »Ach, tatsächlich?« Das Lächeln der Kommissarin wirkt künstlich, ihr
Interesse geheuchelt.
    »Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Dann sind wir mit dem Zug nach Berchtesgaden gefahren.«
    »Und dabei sind Sie über Rosenheim gefahren, stimmt’s?«
    »Rosenheim? Nein, ich kann mich nicht erinnern«, sagt Marjana.
    »Da sind wir durchgefahren«, antwortet Wiktor auf Englisch.
    »Sie sind durchgefahren, aber nicht ausgestiegen?« Auch die Kommissarin
packt ihr etwas eingerostetes Englisch aus.
    »Genau«, sagt Wiktor.
    »Und dann sind Sie nach Berchtesgaden gekommen und haben sich im
Interconti eingemietet. Was haben Sie seitdem hier gemacht?«
    »Wir sind gewandert, in den Bergen, geklettert. Urlaub eben.«
    »Wo sind Sie denn überall geklettert?«
    »Ach«, sagt Marjana. »Mich dürfen Sie nicht nach den Namen dieser
Berge fragen. Die sehen für mich alle gleich aus.«
    Die Kommissarin fragt, ob sie auch oben am Hohen Göll unterwegs
gewesen seien.
    Marjana sieht Wiktor an, der nickt. »Ja, wir sind auch da oben gewesen.
Und nicht nur einmal.«
    Ob sie vielleicht auch in der Nacht zum 29. Mai, einer Vollmondnacht,
dort oben gewesen seien, will die Kommissarin wissen.
    »Der 29. Was war das für ein Tag?«, fragt Wiktor.
    »Ein Samstag.«
    Der Tag also, an dem sie über den Schneetrichter in die Höhle
eingestiegen sind und den Stollen mit dem Schatz gefunden haben. Die Nacht im
Stollen, in der Raketenkapsel. Und der nächste Tag, als sie nach dem
Mini-Erdbeben einen anderen Rückweg nehmen mussten und schließlich an seiner
nördlichen Flanke wieder aus dem Berg herausgekommen waren. Wieso fragt die
Kommissarin sie nach genau dieser Nacht? War er auch da oben, Jurijs
Geheimwaffe? Hat er sie beobachtet? So wie er es in seinem Wachtraum gesehen
hat?
    »Das kann schon sein«, antwortet Wiktor vorsichtig.
    »Kann schon sein? Daran müssen Sie sich doch erinnern. Und wenn
nicht alle drei, dann vielleicht einer von Ihnen.« Die Kommissarin mustert sie
der Reihe nach, bekommt aber keine Antwort. Die Tür öffnet sich, der jüngere
Kommissar kommt zurück und reicht dem älteren ein Blatt Papier.
    »Sind Sie auch in Höhlen eingestiegen?«, fragt die Kommissarin
schließlich.
    »Ja, manchmal.«
    »Wir sind Mitglieder der ukrainischen speleologischen Gesellschaft«,
behauptet Marjana.
    »In Kiew?«
    »Ja, das ist unsere Ortsgruppe.«
    »Es gibt also auch Höhlen in der Ukraine, oder sind Sie dort als
›Trocken-Speleologen‹ unterwegs?«
    »Ach, das Unwissen in der Welt ist groß«, sagt Wiktor, »und Ihr Tal
ist ja auch besonders klein. In den Karpaten, im Westen unseres Landes, gibt es
eine Höhle, die zweihundertfünfzehn Kilometer lang ist. Es ist eine Gipshöhle
und eine der längsten Höhlen der Welt. Sie heißt übrigens Optymistytschna. Das
bedeutet ›die Optimistische‹.«
    »Ach was«, sagt die Kommissarin. »Ja und, waren Sie jetzt in der
Nacht dort oben am Göll?«
    »War das diese herrlich klare Vollmondnacht? Da haben wir bei Heinz
im Purtschellerhaus übernachtet, sind ganz früh aufgestanden und dann
aufgestiegen. Ja, das muss diese Nacht gewesen sein. Aber warum fragen Sie?«
    »Den Mann, dessen Foto ich Ihnen eben gezeigt habe, den haben Sie
aber in der Hütte oder unterwegs nicht gesehen?«
    »Das haben wir Ihnen doch schon gesagt, nein«, antwortet Marjana.
    »Und diesen Mann?« Der Polizist mit dem silbrig glänzenden Schnauzbart,
der bisher noch gar nichts gesagt hat, steht auf und legt ein weiteres Foto vor
Wiktor auf den Tisch.
    Wiktor zuckt zusammen. Das ist er. Der Narbige aus Frankfurt. Ist er
also tatsächlich auch hier? Er hat es gewusst! Marjana legt ihm eine Hand auf
den Arm.
    »Ist der aber hässlich«, sagt sie. »Wer soll denn das sein?«
    Wiktor denkt, Marjana wäre vom Felsen gesprungen, wenn sie

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