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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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mit Vorstandsvorsitzenden, Skilehrer mit Arztgattinnen und Metzgereifachverkäuferinnen mit Computerfuzzis. Die frische Luft an dem See inmitten von Bergen war schon immer ein Quell der Lebenslust gewesen, und die Liberalitas Bavariae sorgte dafür, dass nicht einmal Prominente von zweifelhaftem Ruf sich davor fürchten mussten, dass eines ihrer Techtelmechtel an die große Glocke gehängt wurde. In der Alpenidylle fand ein Kurschatten wirklich noch im Schatten statt und nicht im Scheinwerferlicht der glamourgeilen Weltpresse.
    »Dass sie den Geldbeutel nicht mitgenommen hat, ist schon sehr merkwürdig«, meinte Anne.
    »Jedenfalls können wir so zumindest einen Raubmord ausschließen.« Nonnenmacher wandte sich vom Hotel ab und überschaute die Terrasse. Sie thronte oberhalb des steilen, auf den Malerwinkel abfallenden Hangs. Vor dem Wallberg, der direkt gegenüber lag, zeichneten sich einige Gleitschirmflieger ab, die ins Tal sanken. Die orangefarbenen Schirme auf der Terrasse flatterten im Wind.
    »Die einzigen Anknüpfungspunkte, die wir haben, sind die Eltern mit dem Restaurant und diese Katja Engels, die …« Anne konnte den Satz nicht vollenden, denn ein Mann hatte sich den Ermittlern unbemerkt von hinten genähert und die Polizistin am Rücken angetippt. Er war dick, hatte eine Knollennase und sah für Annes Begriffe nach in ungesunder Rekordgeschwindigkeit erworbenem Reichtum aus.
    »Grüße Sie, Achleitner mein Name. Bin au Hotelgascht hier.« Er lächelte blöde, das jedenfalls fand Anne.
    »Aber eigentlich sind Sie ein Schwab, oder?«
    Ohne auf Nonnenmachers Frage einzugehen, reichte der Mann ihm die Hand zum Gruß: » AFV  – Achleitner Fensterversand, also Kunststofffenster, Holzfenster, Aluminiumfenster, Passivhausfenster. Außerdem Rollläde – Aufsatzrollläde, Vorsatzrollläde, Einbaurollläde – sowie Markise.« Die Ermittler staunten die Erscheinung sprachlos an. »Darf ich frage, was Sie hier mache?«
    »Nein«, antwortete Nonnenmacher kategorisch.
    Doch das brachte den Versandunternehmer kein bisschen aus der blendenden Urlaubslaune: »Ich hab nur eben das Wort ›Raubmord‹ aufgeschnappt – und gehört, dass Sie eine Frau vermisse, die aus dem Hotel verschwunde ischt. Ich bin schon seit drei Woche hier, Burn-out-Prophylaxe und so, Sie wisset schon, deshalb kenn ich mich gut aus – vor allem mit den Damen unter den Hotelgästen.« Achleitner schenkte Anne einen anzüglichen Blick und sagte: »Wobei, wenn ich mir des erlaube darf, keine so eine Augenweide ist wie Sie, Frau Kommissarin. Wisset Sie, an wen Sie mich erinnern?«
    Alle drei wussten genau, was jetzt kommen würde, weshalb Nonnenmacher leeren Blicks in die Berge stierte, Kastner die Laufwege der Schnürsenkel seiner Dienstschuhe studierte und Anne ein leises »Puh« entfuhr.
    Der Kurgast aber sagte triumphierend: »Sie schauet genauso aus wie die Angelina Jolie. Ach, was sag ich – noch besser schauet Sie aus!« Kastner scharrte unwillig mit den Schuhen auf dem Asphalt. Nonnenmachers Magen knurrte gefährlich wie der hungrige Wolf, der jüngst in den tiefen Wäldern der Mangfallberge gesichtet worden war. Und Anne schwieg. Dieses Kompliment hörte sie mindestens einmal pro Woche, an manchen Tagen sogar mehrfach. Und es kotzte sie an, denn mit dem mondänen Leben der Hollywoodschauspielerin hatte das ihre so gut wie nichts gemeinsam: Anne war sechsunddreißig, alleinerziehend und Single (von einem Brad Pitt war weit und breit nichts zu sehen), was die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihr Leben noch einmal in Richtung wohlhabender Supermutti entwickeln würde, reichlich unwahrscheinlich machte.
    Der Burn-out-Patient spürte, dass sein Kompliment aus unerfindlichen Gründen nicht zu der erhofften Stimmungsaufhellung geführt hatte, und sagte deshalb: »Gut, ich möcht nicht störe. Ich wollt bloß helfe.« Erklärend fügte er noch hinzu: »Mir ischt halt diese eine Frau aufgefalle, die – wie ich – allein hier war und mich rein … also, ich sag jetzt einmal … dingsmäßig … interessiert hätt. Die hatte einfach eine Hammerausstrahlung. Topbody, rassig, also Sex-Appeal bis zum Abwinke. Aber die war bloß eine Nacht da und dann wieder weg. Und dabei wollt ich sie eigentlich anspreche, weil des Publikum ist hier sonst ja eher paarweise unterwegs. Und dann hätte man ja … aber nix für ungut … dann sag ich einfach mal Adele und Tschüssing.« Mit der Andeutung eines Winkens wandte er sich ab.
    Doch Anne

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