historical 176 - Meer der Sehnsucht.doc
steh aufrecht und hebe deinen Kopf voller Stolz. Alle sollen sehen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind."
Plötzlich breitete sich ein erwartungsvolles Schweigen aus, denn ein Dutzend oder mehr Gestalten in prachtvollen Roben schritten in die Great Hall und nahmen ihre Plätze auf dem Podium ein. Gleich darauf klopfte ein Bediensteter mit einem Stab drei Mal auf den Boden und verkündete die Ankunft Seiner Majestät.
Jeder Mann neigte ehrerbietig den Kopf, während jedes weibliche Wesen in einen tiefen Hofknicks versank. Niemand schaute auf, bevor nicht der Monarch auf dem Thron Platz genommen hatte. Doch auch als sich alle Zuschauer wieder aufrichteten, durchbrach kein Räuspern oder Füßescharren die Stille.
Ambrosia erschauerte vor Ehrfurcht. Es kam ihr so unwirklich vor, hier zu sein, in unmittelbarer Nähe des Königs. Ein schneller Blick auf ihre Schwestern verriet ihr, dass diese genauso überwältigt waren wie sie.
Jetzt flüsterte der König einem seiner Berater etwas zu, der sich daraufhin zu voller Größe aufrichtete und mit lauter Stimme verkündete: „Möge Captain Geoffrey Lambert mit seiner Gesellschaft vortreten."
„Großvater, bitte ..." Ambrosia hielt seinen Arm krampfhaft umklammert, und Geoffrey tätschelte beruhigend ihre Hand. Dann führte er sie und die anderen nach vorne.
Im Vorbeigehen hörte Ambrosia Edwina kichern. „Nun werden sie wünschen, sie wären in Cornwall geblieben, wo sie hingehören", wisperte Edwina boshaft. Auf Silas Fenwicks Gesicht lag ein fast schon diabolisches Grinsen, bei dem es Ambrosia eiskalt überlief.
Schließlich blieb der alte Lambert stehen. „Ich bin Captain Geoffrey Lambert", erklärte er laut und deutlich.
„Er möge vortreten und seinem König seine Ehrerbietung erweisen."
Je näher sie dem Monarchen kamen, desto erhabener kam er ihnen vor. King Charles war jünger, als Ambrosia erwartet hatte. Er wirkte schneidig und sah über alle Maßen stattlich aus.
Er hatte die feinen Züge eines Poeten, eine leicht getönte Gesichtsfarbe sowie tiefschwarzes Haar, das sich über dem Kragen seines kostbaren Mantels kräuselte.
Vor den Stufen zu dem Podium blieben die Lamberts und ihre Begleiterinnen stehen. Die Männer verneigten sich, und die Damen knicksten tief.
„Erheben Sie sich, Captain Lambert. Ich möchte Ihre Familie kennen lernen."
„Majestät." Geoffrey trat einen Schritt zurück, so dass die drei Lambert-Mädchen auf sich allein gestellt waren. „Das hier sind meine Enkelinnen, Ambrosia, Bethany und Darcy."
Während die jungen Frauen tief erröteten und abermals in einem Knicks versanken, musterte der König sie ausgiebig. Dabei verweilte sein Blick etwas länger auf der dunkelhaarigen Schönheit in dem dunkelroten Gewand.
„Dieses hier ist die Kinderfrau der drei, Miss Winifred Mellon. Und hier ist unsere Haushälterin, Mistress Coffey. Der Herr hier ist Newton Findlay. Er war mein erster Steuermann während der Jahre, in denen ich über den Atlantik segelte."
„Aha." Der König schaute sich um, ohne eine Miene zu verziehen. Oh, wie er den Pomp liebte! Er genoss das Schauspiel, die Art und Weise, wie die Menge den Atem anzuhalten schien, während sie auf seinen nächsten Schritt wartete.
Nach der öffentlichen Hinrichtung seines Vaters war King Charles gezwungen gewesen, sein halbes Leben im Exil zu verbringen. Umso mehr genoss er jetzt seine Macht. Und deshalb ließ er zu, dass sich das Schweigen in die Länge zog, bis die allgemeine Spannung beinahe körperlich spürbar wurde.
Als er abermals seine Stimme erhob, drang sie bis in den hintersten Winkel des riesigen Saales. „Es gab da eine gewisse Fracht an Bord der Dover, die auf die Undaunted gebracht wurde. Dabei handelt es sich um ein Schiff, das Ihrer Familie gehört, nicht wahr, Captain Lambert?"
„Jawohl, Majestät." Geoffrey spürte Ambrosias Hand, die sich in seine stahl.
„Diese Fracht wurde später auf ein weiteres Ihrer Schiffe verladen, nämlich auf die Sea Challenge. Stimmt das, Captain Lambert?"
„Jawohl, Majestät."
„Mir wurde berichtet, dass die Sea Challenge von Piraten angegriffen worden sei, die die gesamte hier versammelte Gesellschaft gefangen genommen und die Fracht für sich beansprucht hätten."
In der Menge breitete sich eine leichte Unruhe aus, die sich durch allgemeines Gemurmel äußerte. Viele reckten die Hälse, um einen Blick auf die Familie zu werfen, die die Wut von Piraten am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.
Wieder setzte
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