Historical Collection Band 03
könnten schwerwiegend sein.
„Wo haben Sie sie gefunden? Und wie lange ist es her?“, fragte er knapp.
„Am Meer, Euer Hoheit“, erwiderte der Sprecher der Gruppe, den Blick zu Boden gerichtet. „Vor einem Monat, durch einen Sturm an die Küste gespült.“
Vor einem Monat schon! Es wurde immer schlimmer. Khalid fluchte insgeheim. „Was ist mit Ihrer Begleitung geschehen?“, wandte er sich auf Französisch an Juliette.
Er sprach fehlerlos und mit kaum merklichem Akzent. Seine Frage weckte eine kurze, entsetzliche Erinnerung an den Sturm, den tosenden Sturm, der die Segel des Schiffs zerfetzte, die Schreie der Mannschaft, ihre eigenen flehenden Bitten an ihren Vater, seine kostbaren Fundstücke zurückzulassen und sich selbst zu retten. Was er natürlich nicht getan hatte. Die Riesenwelle, die sie an den Strand geworfen hatte, hatte Papa und seine Truhe mit den sorgfältig ausgesuchten Relikten auf den Grund des Roten Meers gezwungen. Im Tod wie im Leben hatte Papa seine verlorenen Zivilisationen an erste Stelle gesetzt.
„Sie sind alle untergegangen, einschließlich meines Vaters.“ Juliette biss sich leicht auf die Unterlippe.
„Das tut mir leid“, sagte Khalid, gerührt von ihrem Versuch, ihre Tränen zu bekämpfen. „Wo ist der Rest Ihrer Familie?“
„Familie?“ Juliette schüttelte den Kopf und schluckte mühsam. Sein Mitgefühl schnürte ihr die Kehle zu. Papa war von vornehmer Geburt gewesen, doch da er die Archäologie zu mehr als nur einem Hobby gemacht hatte, war er von seiner Familie verstoßen worden. Juliette hatte nie irgendjemanden ihrer Verwandten kennengelernt, und ihr Vater hatte sie auch nicht dazu ermutigt, sich für sie zu interessieren. Inzwischen hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, ganz allein in der Welt zu sein – bis auf Papa, der immer mehr ein Mentor für sie gewesen war als ein Vater. Doch jetzt war es ihr nicht angenehm, daran erinnert zu werden, und so zuckte sie nur mit den Achseln. „Ich habe keine weiteren Verwandten. Meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war. Außer mir und Papa hat es nie jemanden gegeben.“
Die meiste Zeit allerdings, das musste sie sich, wenn auch widerwillig, eingestehen, hatte Papa sie kaum wahrgenommen. Erst als sie alt genug gewesen war, um ihm von Nutzen zu sein, hatte er ihre Erziehung übernommen – eine Erziehung, die sich allerdings fast ausschließlich auf sein eigenes Interessengebiet beschränkt hatte. Ansichten, die seine Tochter zu Dingen außerhalb der Welt der Archäologie haben mochte, hatten ihn nie interessiert. Juliette bezweifelte, dass er überhaupt gewusst hatte, ob sie lieber Tee oder Kaffee trank, Rousseau oder Voltaire bevorzugte. Beides hätte er für unerheblich gehalten.
Prinz Khalid sah sie seltsam an. „Kein Gatte?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Das ist doch gewiss recht … ungewöhnlich.“
Gegen ihren Willen empfand Juliette Ärger über seine Bemerkung. Natürlich war ihr Leben eher ungewöhnlich gewesen, das war ihr bewusst, doch ein anderes hatte sie nun einmal nicht kennengelernt. Sie hatte zwar selbst schon oft ihre Bedenken darüber gehabt, aber es gefiel ihr nicht, wenn ein völlig Fremder sich dasselbe Recht herausnahm.
„Mein ganzes Leben lang habe ich Papa bei seiner Arbeit geholfen – eine sehr wichtige Arbeit, von größerer Bedeutung als ein Gatte. Für so etwas hatte ich keine Zeit. Ich verdiente mir das Recht, von meinem Vater und seinen Assistenten wie eine ihnen Ebenbürtige behandelt zu werden.“
Khalid betrachtete die ausnehmend attraktiven weiblichen Rundungen dieser Frau und fand es sehr schwierig, ihren Worten Glauben zu schenken. Ihm fielen die lüsternen Blicke seiner Untertanen auf, und leise Wut erwachte in ihm über ihren Mangel an guten Manieren, aber auch über die Naivität dieser seltsamen Französin.
„Sie ist sehr hübsch, nicht wahr?“, meinte einer der Männer mit einem Zwinkern.
„Sohn eines Kamels“, fuhr Juliette ihn an, „wie wagst du es, mich so anzustieren!“
Der Mann wich hastig zur Seite, als sie versuchte, nach ihm zu treten, doch die Fesseln, die man ihr angelegt hatte, hinderten sie daran, ihn zu treffen. „Wie Ihr seht, Hoheit, verfügt sie über ein feuriges Temperament.“
„Ich hoffe, Ihr habt sie mit dem Respekt behandelt“, sagte Khalid kühl, „der einem fremden Besucher meines Reiches gebührt.“
Der Mann stieß ein angespanntes Lachen aus. „Bei diesem bösartigen Naturell wagten meine Männer es
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