Historical Collection Band 03
nicht, ihr zu nahe zu kommen. Um die Wahrheit zu sagen, Hoheit, sind wir froh, die kleine Wildkatze loszuwerden. Nur ein Prinz wie Ihr, oh Mächtiger, kann sie zähmen und ihren Willen brechen“, schloss er mit einem falschen Lächeln.
„ Qu’est-ce qu’il dit? “ , fragte Juliette. „Was sagt dieser Mann, dessen Vater ein Ziegenbock gewesen sein muss?“ Sie funkelte ihn so wütend an, dass der noch weiter zurückwich. „Einen Monat lang haben sie mich wie ein Tier gefesselt. Ich verlange, dass Sie mir …“
„Genug!“ Khalid klatschte heftig in die Hände, und Juliette hielt abrupt inne. „Es steht Ihnen nicht zu, irgendetwas zu verlangen, Mademoiselle. Ich habe nicht um Sie gebeten und wünschte bei Gott, Sie wären mir nicht gegeben worden. Aber nun sind Sie einmal hier und nach den Gesetzen von Lash’aal mein Eigentum. Die Begleichung einer Ehrenschuld“, erklärte er streng. „Trotz ihrer abgerissenen Erscheinung repräsentieren diese Männer einen mächtigen Stamm. Es wäre unklug von mir, sie zu erzürnen, indem ich ihr Geschenk ablehne.“
Es wäre in der Tat höchst unklug. Tatsächlich war die Situation ausgesprochen heikel, und Khalid konnte nicht anders, als der Frau die Schuld daran zu geben. Warum musste sie sich ausgerechnet an seine Küste spülen lassen? Wenn er sie als Geschenk akzeptierte, riskierte er andererseits, dass ihre Regierung ihn für mitschuldig hielt an ihrer Gefangennahme. Er würde gut überlegen müssen, wie er sie am besten dem französischen Konsulat in Kairo übergeben könnte.
Sich wieder an die Männer wendend, beschloss Khalid, sich zunächst um einen Teil des Problems zu kümmern. „Ich sehe eure Schulden als getilgt an. Ihr könnt gehen und seid meiner Dankbarkeit gewiss. Begleite meine ehrenwerten Gäste hinaus, Farid, und sorge dafür, dass sie vor ihrer Heimreise hinreichend verköstigt werden.“
„Jawohl, Hoheit. Und die … die Frau?“ Farid warf Juliette einen vielsagenden Blick zu.
„Mit Mademoiselle de Montignac beschäftige ich mich persönlich“, antwortete Khalid grimmig. „Bring einfach nur die Männer hinaus.“
Der Saal war schnell geleert. Allein mit Prinz Khalid in diesem riesigen, fremden Raum, in dem das Licht von den zahlreichen Spiegelflächen zurückgeworfen wurde, versuchte Juliette verzweifelt, sich ihren nächsten Schritt zu überlegen. Ihr Magen mochte sich vor Angst zusammenziehen, ihre Knie mochten beben und sich sträuben, sie aufrecht zu halten, doch genau das mussten sie tun. Ihr waren nur noch ihre fünf Sinne geblieben, und die musste sie jetzt um jeden Preis zusammenhalten. Eine leise Unruhe strich über sie hinweg wie der Wind, der den weichen Sand einer Düne aufwirbelt, und sie erschauerte, als Prinz Khalid den Blick seiner durchdringenden blauen Augen auf sie richtete.
Trotz ihrer vierundzwanzig Jahre beschränkte sich Juliettes Erfahrung mit Männern auf jene, die an den Ausgrabungen ihres Vaters beteiligt gewesen waren. Ihr wurde bewusst, dass der Mann, der sie jetzt mit verächtlichem Ausdruck betrachtete, womöglich ihre Begeisterung für den Beruf ihres Vaters nicht teilte. Der inoffizielle Krieg zwischen dem britischen Konsul General Henry Salt und dem einstigen französischen Konsul General Bernardino Drovetti hatte Papa gezwungen, seine eigenen Regeln zu brechen und nicht nur seine Ausgrabungen ohne Erlaubnis durchzuführen, sondern die Fundstücke sogar aus dem Land zu schmuggeln. Sehr wahrscheinlich würde Prinz Khalid dieses Vorgehen unumwunden als Plündern bezeichnen. Papa, der doch früher so entschlossen gewesen war, jeden Fund an der Stelle zu belassen, an der er entdeckt worden war, hatte im vergangenen Jahr fast jedes seiner Prinzipien über Bord werfen müssen. Als er ertrank, war er ein bitterer, desillusionierter Mann gewesen.
„Montignac“, wiederholte Khalid nachdenklich. „Sie sagten, das sei Ihr Name?“
Juliette nickte zögernd.
„Weswegen hielten Sie sich in meinem Land auf?“
Es war nicht leicht, seine Antwort zu beantworten. Sie hatten keine offizielle Erlaubnis für ihr letztes Projekt erhalten, sondern sich vom französischen Konsulat dazu zwingen lassen, die Verwirrung auszunutzen, die der plötzliche Tod des Prinzen Asad al-Muhanna und die Nachfolge durch dessen Bruder Ramiz verursacht hatten. „Wir waren in A’Qadiz, nicht in Lash’aal. Das Reich, das an Ihres grenzt, glaube ich. Papa ist … war … er arbeitete für die französische Regierung“, schloss sie
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