Historical Collection Band 03
Hoheit.“
Scheich Khalid al-Raqam, Prinz von Lash’aal, fuhr fort, die Skizze des Schreins zu prüfen, der kürzlich an der Ausgrabungsstelle der verschollenen Stadt Persimmanion entdeckt worden war. Die Ruinen des Tempels faszinierten ihn, da sie um mehrere Jahrhunderte älter waren als die übrige Stadt. Vielleicht waren sie sogar der Grund für die Existenz der Stadt. Khalid nahm die neueste Entdeckung in die Hand – die kleine Goldstatuette einer weiblichen Gottheit, die für diese arabische Region höchst ungewöhnlich war. Er lächelte verhalten. Die Abergläubischen unter seinen Untertanen, einschließlich Farid, seinem Sekretär, warteten ehrerbietig auf seine Anweisungen. Anscheinend hielten sie das Fundstück für ein wichtiges Omen. Khalid allerdings ließ sich von solchen kindischen Vorstellungen nicht beeinflussen. Die Vergangenheit zog ihn in ihren Bann, beherrschte ihn jedoch nicht.
Er ließ die zarte Skulptur in der Handfläche ruhen. Persimmanion hatte sich als wahre Fundgrube für Objekte dieser Art erwiesen. Es war wichtig, dass sie den Ort geheim hielten, damit die europäischen Aasgeier nicht Wind davon bekamen und versuchten, Lash’aals kostbares Kulturerbe zu plündern, wie sie es bereits in Ägypten getan hatten. Khalid umschloss die goldene Gottheit fester. Auf seinem Hoheitsgebiet würde er keine solche Entweihung dulden.
„Was wünscht diese Delegation?“, fragte er Farid gereizt.
„Eine Audienz, Hoheit. Sie sind fünf Tage lang durch die Wüste gereist, um Euch Tribut für Euren Beistand während des Grenzstreits zu entrichten. Ihr solltet sie nicht brüskieren, indem Ihr sie zu lange warten lasst.“
Khalid seufzte und rollte vorsichtig die Skizze zusammen. „Nun gut, dann werde ich sie jetzt empfangen.“
Farid verbeugte sich. „Ihr werdet sie feierlich empfangen, Hoheit?“
Es war nicht wirklich eine Frage, wie Khalid wohl wusste, und so seufzte er wieder. „Wenn ich muss. Wie immer, Farid, verlasse ich mich in Fragen des Protokolls ganz auf dich.“ Seit drei Jahren regierte er Lash’aal nun bereits, doch er empfand einige Gebräuche, besonders den Pomp und die gezwungene Feierlichkeit, nach wie vor als sehr ärgerlich. Der Frieden in seinem Reich, für den er so hart gekämpft hatte, war allerdings noch immer sehr zerbrechlich. Die vielen Stämme waren bereit, bei der geringsten Provokation aneinanderzugeraten, da musste es seine erste Pflicht als oberster Träger der Macht sein, Gerechtigkeit walten zu lassen und, wenn nötig, Strafe öffentlich zu vollstrecken.
Diese schwere Verantwortung, die auf ihm lastete, isolierte ihn von allen anderen Menschen in seinem Land. Es war seine Pflicht, unfehlbar, unbesiegbar und allmächtig zu sein. Zwar hätte er mit seinen zweiunddreißig Jahren längst vermählt sein und einen Erben gezeugt haben sollen, doch bisher hatte es sich selbst für Farid mit seinem legendären diplomatischen Geschick als zu schwierig erwiesen, unter den vielen verschiedenen Fraktionen des Reiches eine passende Braut auszuwählen. Khalid selbst zeigte kein besonderes Interesse an diesem Thema. In jedem Fall musste seine zukünftige Gemahlin eher den Bedürfnissen Lash’aals entsprechen als seinen persönlichen, also gab er sich zunächst damit zufrieden, unvermählt zu bleiben. Die Last der Staatsgeschäfte trug er lieber allein – zumindest sagte er sich das, während er sich in seinen Privatgemächern die schweren Zeremoniengewänder anlegte.
Die mitternachtsblaue Seidentunika mit den Paspeln an den langen Ärmeln wies am hohen Kragen Stickereien aus Silberfäden und Perlen auf. Um die Taille zog er einen silbernen, mit Türkisen und Saphiren geschmückten Gürtel fest. Den zeremoniellen Krummsäbel, ebenfalls aus Silber, schob er in die reich verzierte Scheide. Dann steckte er sich den Staatsring an den Finger, den legendären Saphir Lash’aals. Auch der Umhang, den er sich um die Schultern warf, war mitternachtsblau und besetzt mit kostbaren Edelsteinen und Halbedelsteinen. Die Kopfbedeckung wurde mit einem Band aus Silberfäden und weiteren Edelsteinen befestigt. Als er schließlich angekleidet war, fühlte Khalid sich, als würde er im wahrsten Sinne des Wortes die Last seines Reiches auf den Schultern tragen.
Der prunkvolle Thronsaal des Palastes maß achtzig Schritte in der Länge und sechzig in der Breite. Durch die Erkerfenster drang gleißendes Sonnenlicht und reflektierte sich in den aus verspiegeltem Glas bestehenden Wänden.
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