Historical Exclusiv 45
seine Begründung überrascht.
Yves blickte finster drein, da er offenbar Widerspruch von ihr erwartete. „Madame, ich werde nicht dafür verantwortlich sein, dass Euer Kind allein in der Welt steht.“
Die Heftigkeit, mit der er seine Besorgnis für Thomas ausdrückte, erstaunte Gabrielle, sodass seine Worte jeden Widerspruch, den sie hätte einwenden können, zunichtemachte.
Verweigerte er ihr das Recht, ihn auf seiner Mission zu begleiten, lediglich um ihrer Sicherheit willen?
Bereits der Gedanke war für sie überwältigend. Schon immer wurde ihr Überleben von allen um sie herum als selbstverständlich angenommen. Niemand hatte sich jemals um ihre Sicherheit gekümmert. Nachdem sie diese erstaunliche Tatsache in sich aufgenommen hatte, fragte sie sich, was die Ursache für seine Besorgnis war.
„Es ist nicht das erste Mal, dass Ihr das sagt“, bemerkte sie vorsichtig, denn sie hatte bereits bemerkt, wie sehr er zögerte, über seine eigene Vergangenheit zu sprechen. Gabrielle erinnerte sich plötzlich an seinen Redeschwall am Fluss und das Geständnis seiner illegitimen Geburt, ein seltener Gefühlsausbruch von diesem Mann.
Der Ritter wandte seinen Blick ab, sah düster in das Dunkel des dichten Waldes und schwieg. Doch er ging nicht sofort weg. Er zauderte, als ob er ihr seine Gründe eingestehen wollte, wenn er nur wüsste, wie er beginnen sollte.
Mitgefühl erwachte in Gabrielle, denn sie erriet, dass Yves keinen leichten Lebensweg gehabt hatte. In diesem Augenblick entschied sie, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen.
Die Sanftheit ihrer Stimme überraschte sie selbst. „Irre ich mich, oder scheint dies für Euch von besonderer Wichtigkeit?“
Saint-Roux stieß mit dem Fuß in den feuchten Waldboden und schüttelte den Kopf. Dann sah er auf, als ob er Angst hätte, Missbilligung in ihren Augen zu lesen. Ihre Blicke trafen sich.
„Ich war allein“, gestand er mit belegter Stimme. „In der Tat, ich war jeden Tag und jede Nacht meines Lebens so gut wie allein.“
„Habt Ihr keine Geschwister?“
Yves schüttelte den Kopf. „Eine Schwester, die ich durch meinen eigenen jugendlichen Leichtsinn verlor.“
Es war offensichtlich, dass er sich selbst die Schuld für den Tod seiner Schwester gab, und Gabrielle wollte ihn rasch beruhigen. „Aber …“
„Kein Aber“, unterbrach er heftig. „Obwohl es mir letztlich gut erging, Madame, möchte ich mein Schicksal keinem anderen wünschen.“ Er schaute sie kurz an. „Lasst dies vorerst genug sein.“
Gabrielle lächelte verständnisvoll, als sie ihm zunickte. „Wie Ihr wünscht“, sagte sie, denn er sollte nicht glauben, einen Fehler gemacht zu haben, indem er sie ins Vertrauen zog. „Doch wisst, dass ich Euch immer zuhören werde, wenn Ihr wünscht, über Eure Schwester oder etwas anderes zu reden.“
Der Ritter starrte sie an, als wäre er über das Angebot überrascht.
Ganz langsam trat ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. Dieses zaghafte Lächeln ließ ihn noch wesentlich anziehender wirken, als er es eh tat. Gabrielles Herz begann heftig zu pochen.
„Glaubt mir, Madame“, sagte er entschlossen, „Euer Wohlergehen ist für mich von gleicher Wichtigkeit wie das Eures Sohnes.“
Seine bernsteinfarbenen Augen, die fest in die ihren sahen, ließen ihr Herz noch höher schlagen. Konnte er wahrhaftig meinen, was sein Blick in sich barg? Konnte dieser Mann, der sich ihrer Sache erst im letzten Moment annahm, wirklich darum sorgen, ob sie lebte oder starb?
Nein! Seine Sorge galt einzig dem Kind. Ihm hatte er sein Schwert geweiht, es war die Befreiung Thomas’, die er geschworen hatte, zu erreichen.
Trotzdem stockte Gabrielle der Atem. Nur zögernd löste sie sich von seinem Blick und betrachtete die Bäume mit vorgetäuschtem Interesse.
Dieser Ritter hatte in der Tat eine besondere Anziehungskraft. Es fiel ihr immer schwerer, sich vorzustellen, dass solch ein sensibel wirkender Mann gewiss gelernt hatte, diese Ausstrahlung genauso zu benutzen wie jede andere Waffe in seiner Rüstkammer.
Gabrielle musste sich auf die Aufgabe, die vor ihnen lag, konzentrieren. Sie war der Schlüssel dafür, dass Thomas nicht länger allein in Gefangenschaft sein musste, dies hatte auch der Ritter so gesehen und die Wichtigkeit ihrer Mithilfe eingestanden. Sie war diejenige, die Perricault und die Männer, die diesem Haus verbunden waren, am besten kannte. Sie war der Schlüssel für Yves, die Herrschaft über diesen Besitz zu erlangen.
Eine
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