Historical Exclusiv 45
…“
„Verstarb nur wenige Tage nach meiner Geburt“, sagte er kurz. Er konnte sie nicht ansehen, daher blickte er finster in den dunklen Wald. „Und mein Vater war alles andere als erfreut darüber, einen illegitimen Sohn zu haben.“
„Doch am Hofe des Herzogs …“
„Ich war ein Bastard, den man nur seiner Fähigkeiten wegen achtete“, sagte Yves grimmig. „Der Herzog sah zwar immer großzügig über den Makel meiner Geburt hinweg, aber nur wenige andere teilten diese Großmut.“ Er schüttelte den Kopf und zwang sich wieder zu einem kühlen Tonfall. „Madame, ich bitte Euch um Vergebung, denn nichts davon soll Eure Sorge sein.“
Zu seiner Überraschung erhob sich Gabrielle und legte die Hand auf seinen Arm. Widerstrebend sah er ihr in die Augen. Erleichterung durchströmte ihn, als er Mitgefühl darin leuchten sah. „Nein, ich entschuldige mich zweifach für jede Kränkung, die ich verursachte“, sagte sie leise. „Ich kann sehr wohl verstehen, warum Euch Eure illegitime Geburt Sorge bereitet.“
Saint-Roux schüttelte den Kopf. „Ihr wusstet nichts davon.“ Er kniff die Augen zusammen, um die Dunkelheit zu durchdringen, und sah in Richtung des Lagers. „Genauso wenig könnt Ihr wissen, was für eine Freude es ist, in solch einem Zuhause willkommen geheißen zu werden.“
Gabrielles Griff verstärkte sich, und Yves verspürte einen wohligen Schauer.
„Ich habe niemals meine Stimme zum Gebet erhoben, Madame“, gestand er heiser ein. „Doch es scheint, dass ich in dieser Nacht etwas gefunden habe, wofür ich dankbar sein muss.“
Überrascht holte sie tief Luft. „Ihr habt niemals gebetet!?“
Er blickte zu Boden und schüttelte das Haupt. „Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie ich beginnen soll“, gab er zu. „Da unsere Ziele jetzt dieselben sind, würde ich es sehr schätzen, wenn Ihr mir gestatten würdet, zusammen mit Euch ein Gebet zu sprechen.“
Gabrielle sagte nichts, und der Ritter fürchtete, sie könnte ihm den Wunsch versagen. Er sah sie wieder an und ihre Blicke trafen sich erneut. „Ich möchte meine Bitte zur sicheren Rückkehr Eures Sohnes hinzufügen.“
Nicht für alle Reichtümer in der gesamten Christenheit hätte Gabrielle ihm diesen einfachen Wunsch verwehren können. Sie verlor sich in den bernsteinfarbenen Tiefen seiner Augen und wunderte sich, dass er sich nicht noch mehr in sich selbst zurückgezogen hatte, nach dem was er hatte ertragen müssen.
Es war nicht schwer, sich Yves als Kind vorzustellen, ein Knabe ähnlich wie Thomas, ganz allein in einer unfreundlichen Welt. Gabrielle tat das Herz weh, wenn sie daran dachte, was er alles erduldet haben musste. Es war ein gutes Zeichen für die Stärke seines Charakters, dass er es zu Anerkennung gebracht hatte. Denn mit Sicherheit war ihm das Glück nicht in den Schoß gefallen.
„Es wird Euch nicht schwerfallen“, sagte sie heiser und bot ihm ihre Hand. Sie spürte die Wärme seiner Haut, als sein Griff sicher ihre Finger umschloss. Gabrielle begann zu beten, und Yves wiederholte unsicher ihre Worte, verlieh ihrer Bitte seine Stimme.
Und zum ersten Mal, soweit sie sich erinnern konnte, fühlte sie sich nicht mehr allein in ihrem Kampf gegen die Mächte, die sich gegen sie und ihren Sohn gestellt hatten.
8. KAPITEL
D ie Nebelschwaden lagen noch immer über dem Fluss, als Yves Château Perricault zum ersten Mal erblickte.
Die Erzählungen über die Burg, die hoch über den Fluss emporragte und so gut wie uneinnehmbar war, entsprachen der Wahrheit. Das Wasser des Nebenflusses, der sich an der Südseite des Felsens, auf dem die Burg stand, mit dem Hauptarm vereinigte, schlug tosend gegen die Steilwand. Die Mauern, welche die Klippen krönten, waren unüberwindlich hoch.
Man hatte ein Naturwunder in den Bau der Festung mit einbezogen, sodass diese nicht leicht zu erstürmen war. Der rasche Flusslauf und der hohe Wasserstand machten es unmöglich, auch nur daran zu denken, anderswo als über die Brücke überzusetzen.
Yves konnte die Männer sehen, die auf und ab patrouillierten. Auch oben auf dem Wehrgang sah er Soldaten, und es gab mehr Pfeilschlitze für Bogenschützen, als er sich in seinen Befürchtungen vorgestellt hatte.
Wie sehr hatte er gehofft, Seymour hätte die Befestigung der Burg überschätzt! Es war jedoch niederschmetternd, dass ihre Mächtigkeit noch untertrieben war.
„Es sieht nicht gut aus, Herr, oder?“, murmelte Leon. Er war der Einzige, der den Ritter an diesem Morgen
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