Historical Exclusiv 45
und war erstaunt, genau den Ritter, um den ihre Gedanken kreisten, zu sehen. Er war ihr in aller Eile gefolgt. Sie blieb stehen, und er trat näher. Sein Ausdruck war nicht zu deuten.
Oh, wie sehr hasste sie es, so schlecht von seinem Gesicht ablesen zu können, was in ihm vorging!
„Ich möchte mehr von Euren Ansichten über Perricault erfahren“, sagte er, aber Gabrielle wandte sich ab und ging weiter.
„Nun werden also meine Überlegungen als brauchbar erachtet!“
Der Ritter zögerte, dann folgte er ihr. „Euer Rat ist allezeit von Wert für mich“, bemerkte er.
„Ja, jetzt nachdem Ihr nichts mehr von den Männern im Lager erfahren könnt“, murmelte sie. „Es ist unwesentlich, dass ich länger in der Burg lebte als jeder andere von ihnen, es ist unwesentlich, dass ich Euch wahrscheinlich selbst das Gemach nennen kann, in dem man Thomas gefangen hält, und es ist auch unwesentlich, diesen niederträchtigen Schurken und Eindringling zu kennen!“ Gabrielle knirschte mit den Zähnen. „Offenbar haben Männer Wichtigeres beizutragen als ich.“
Der Ritter räusperte sich. Gabrielle warf verstohlen einen Blick in seine Richtung und sah, dass er seine Augenbrauen zusammenzog. „Irrt Euch nicht, Madame, ich habe gelernt, Euren Verstand zu schätzen. Es schien indes nur von Vorteil, dass mir die Männer so bald wie möglich den Treueid schworen.“
Zu ihrem Verdruss konnte sie dem nichts entgegnen, so schritt sie stumm weiter.
„Es war auch wichtig zu hören, was sie zu sagen hatten, und zu vernehmen, was sie für bedeutsam hielten.“ Er warf einen vielsagenden Blick in ihre Richtung, den sie beharrlich ignorierte. „Ihr wart auch dabei, Madame. Sagt mir über die Männer, was Ihr wisst.“
Sie zuckte die Achseln, noch war sie nicht bereit, freiwillig zu offenbaren, was sie wusste. „Sie sind Männer des Kampfes. Ich kenne sie nur wenig.“
„Ihr wisst mehr, als Ihr zugebt“, grollte Yves. „Standen sie alle im Dienste Eures Gemahls?“
„Ja.“
„Wie lange?“
Gabrielle hatte die Hände in die Hüften gestützt und blickte den entschlossenen Ritter seufzend an. Es war klar, er würde sie so lange drängen, bis er erfuhr, was er wissen wollte.
„Diejenigen, die unserem Hause am längsten in Treue verbunden waren, verloren ihr Leben bei dem Angriff, außer Leon. Er leistete meinem Gemahl den Treueid, lange bevor wir vermählt waren.“ Sie runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. „Die anderen kamen über die Jahre.“
„Wie lange wart Ihr vermählt?“
„Es wären sieben Jahre gewesen am letzten Weihnachtsfest.“
„Ihr kanntet Euren Gatten und Leon schon früher?“
„Mein Vater tat es.“ Sie war überrascht, als sie den gleichgültigen Tonfall ihrer Stimme vernahm. „Ich habe Michel vor dem Altar kennengelernt, und Leon kurz darauf.“
„Und Seymour? Wann ist er gekommen?“
Gabrielle musste überlegen. Der Ritter wartete geduldig. Die jungen Blätter der Bäume raschelten hoch über ihren Köpfen. Durch die noch wenig bewachsenen Baumkronen waren am Himmel ein paar Sterne zu sehen. Ein kühler Windhauch zerrte an Gabrielles Röcken, und die Geräusche aus dem Lager drangen herüber.
„An Weihnachten im letzten Jahr“, fiel ihr schließlich ein. Sie hob den Blick, um Yves anzusehen. „Ich erinnere mich, dass er Schnee auf den Schultern hatte, als er die Halle betrat, und Michel hieß ihn an diesem heiligen Tag an der Tafel willkommen.“
Der Chevalier runzelte die Stirn und sah zum Lager hin. „Ist er zuverlässig?“
Gabrielle zuckte mit den Schultern. „Wie Seymour selbst sagte, war er in jener Nacht auf der Mauer und kämpfte mutig an der Seite von Michels anderen Kämpen. Er war es, der bei dem gefallenen Michel ausharrte, und so war es möglich, ihn geziemend zur letzten Ruhe zu betten.“
Yves wandte sich ihr zu, und ihre Blicke trafen sich. „Ich vermute, es war nicht ungefährlich.“
Gabrielle nickte zustimmend und räumte damit, wenn auch widerstrebend, die Ehrenhaftigkeit von de Crecys Tat ein. Sie hatte den Mann niemals gemocht, obwohl sie wusste, dass es mehr seiner Meinung über Frauen zuzuschreiben war und seinen rauen Manieren, doch nicht seinen Taten.
„Manch anderer wäre geflohen“, gab sie zu und erschauerte bei der Erinnerung an das Blutbad, das sie mit ansehen musste. „Wahrhaftig, viele andere taten es.“
Yves dachte über ihre Worte nach, und die wachsende Stille ließ Gabrielle unruhig werden. Sie war sich seines
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