Historical Exclusiv Band 44
Stunde des Sommers, daher saßen sie draußen auf einer Bank, um das letzte Tageslicht ausnutzen zu können.
Er trank einen Schluck Met und streckte die Beine aus, während die rosa Wolken in Flammen zu stehen schienen, ehe sie eine goldrote Färbung annahmen.
„Justin, habt Ihr etwas von Agnes gehört?“
Er runzelte die Stirn. „Es heißt, sie teilt jetzt nicht nur das Bett mit Hibernia, sondern auch eine Kammer.“
Wir werden zusammen sein, hatte Agnes gesagt. Das musste sie gemeint haben. Seine Frau im Schloss, seine Mätresse bei Hof. Das war Glück genug. Außer …
„Justin, die Vorladung – was wurde daraus?“
Er nahm einen weiteren Schluck Met und vermied es, ihr in die Augen zu sehen. „Nichts. Es gibt sie nicht mehr.“
Sie musste lächeln. Wenn Agnes ihr Glück finden konnte, dann würde ihr das vielleicht auch gelingen. Sie drehte die Stiele einiger goldfarbener Blumen, die sie gepflückt hatte, zwischen den Fingern. „Soll ich Euch erzählen, was ich gelernt habe, während Ihr fort wart?“
„Bitte.“
Sie hielt ihm die Stängel dicht vor die Nase. „Dies ist Johanniskraut. Es kann in Wein gekocht und für innere Wunden genommen werden oder als Salbe für äußerliche.“ Geduldig hörte er zu, während sie den Verwendungszweck der Pflanze beschrieb. „Es ist eine Pflanze des Löwen, der von der Sonne bestimmt wird, dem Gold der Pflanzen.“
„Löwenzahn ist auch gelb“, sagte er und lächelte. „Sind das ebenfalls Pflanzen des Löwen?“
Sie drohte ihm spielerisch mit dem Finger. „Macht Euch nicht über mich lustig. Dies hier ist genauso logisch wie das Gesetz.“
Er lachte vergnügt und blickte hinauf zu dem sich langsam verdunkelnden Himmel. „Es ist schön, wieder hier zu sein. In London konnte ich am Ende des Tages kaum den Himmel sehen.“
„Als Ihr fort wart, sah er anders aus.“ Sie genoss den kurzen friedlichen Moment und nahm dann ihren Mut zusammen: „Justin, was geschieht als Nächstes?“
„Was meint Ihr?“
„Wenn wir das Haus verlieren.“
Er runzelte die Stirn. „Zweifelt Ihr an meinen Fähigkeiten?“
„Nein, aber ich besitze nicht Euer Vertrauen in die Gerechtigkeit. Ich kann das Schicksal meiner Familie nicht den Händen des Gesetzes überlassen.“ Sie zerdrückte die Stiele der Blumen und presste sie so fest, dass ihre Fingerknöchel sich weiß verfärbten. „Wir sind nicht mächtig. Noch immer hat meine Mutter Feinde, selbst Ihr …“ Sie biss sich auf die Zunge.
Er umfasste ihre Hände. „Solay, als wir heirateten, kannte ich meine Verpflichtungen.“
Sie nickte und blickte hinab auf seine Hände. Die Verantwortung für ihre Familie lastete jetzt auf ihm, genau, wie sie es geplant hatte.
Unfähig, ihm in die Augen zu sehen, blickte sie hinauf zum Himmel. Der erste blasse Stern durchdrang die Finsternis. Ich will seine Liebe, nicht nur sein Pflichtgefühl.
Er legte einen Arm um sie und folgte ihrem Blick. „Ihr liebt den Sommer, aber er gewährt Euch weniger Zeit, die Sterne zu sehen.“
Seufzend lehnte sie sich an ihn und genoss den Trost, den er ihr bot. Mehr würden sie nicht über die Zukunft miteinander besprechen. „Das stimmt, aber ich muss nicht frieren, wenn ich sie beobachte.“ Sie hob einen Arm. „Seht. Da ist Herkules.“
Er kniff die Augen zusammen und spähte zum Himmel. „Wo?“
Sie zeichnete die Linien von Herkules mit ihrem Finger nach, bis er endlich den knienden Krieger mit der erhobenen Keule sah.
„Kommt“, sagte er dann. „Ich habe etwas für Euch.“
Sie folgte ihm in ihre Kammer, wo er die Truhe öffnete und ein großes, flaches Paket herausholte, das er ihr in den Schoß legte. Es war so groß wie ein kleiner Tisch, und er musste ihr helfen, es festzuhalten. „Ich habe es in London entdeckt und an Euren Geburtstag gedacht.“
Sie schlug die lederne Hülle zurück, und ein gebundenes Buch kam zum Vorschein. Andächtig öffnete sie es und erkannte staunend, um was es sich handelte. „Das ist ein Kalendarium.“
Er beugte sich vor, blätterte die Seiten um und zeigte ihr jede einzelne Kostbarkeit. „Hier sind die Karten mit dem Stand der Sonne in den Tierkreiszeichen für jeden Tag im Jahr. Und hier ist eine Liste mit allen Verfinsterungen der Sonne und des Mondes. Das verrät den besten Zeitpunkt für den Aderlass, daher wird der Arzt von Eurem Fachwissen beeindruckt sein.“ Vorsichtig blätterte er die Seiten um. „Und hier sind die Himmelskarten.“
Ehrfurchtsvoll berührte sie die
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