Historical Exklusiv Band 20
den ich je getroffen habe. Und wenn Ihr Eure Gedankengänge erklärt, scheine ich mehr zu begreifen als in den mir aufgezwungenen Schulstunden während jener Jahre in den so sehr gehassten Internaten.“
„Dann freue ich mich sehr, dass ich Euch so glücklich machen kann, Mylord.“ Briana schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln.
Keane stieß mit ihr an. „Und wie Ihr mich glücklich macht, Briana O’Neil! Ihr habt ja keine Ahnung.“ Und zu Vinson gewandt sagte er: „Jetzt kannst du die Speisen servieren.“
Der Butler wusste nicht, was er von der Situation halten sollte. Aber er tat, wie ihm geheißen war. Nach wenigen Minuten schickte Keane ihn allerdings schon wieder fort. „Den Rest können wir selber tun, Vinson. Du kannst dich jetzt zur Ruhe begeben“, sagte er.
Vinson wagte nicht zu widersprechen, doch seine Besorgnis wuchs. Er verstand nicht, was die normalerweise trübe Laune seines Herrn ins Gegenteil verwandelt hatte. Nach einigem Grübeln fiel ihm ein Grund ein, der dazu führte, dass er sich noch mehr um Briana sorgte als zuvor.
„Ihr habt nicht wirklich die Engländer zum Schwertkampf herausgefordert, oder?“
Briana und Keane saßen nach dem Abendessen wieder auf der Chaiselongue vor dem offenen Kamin, in dem ein Feuer flackerte. Sie hatten Braten und Lachs zu sich genommen, sechs große Kekse gegessen und sich sogar ein Stück von dem speziellen Kuchen der Köchin geteilt. Aber keiner von beiden hätte jetzt noch sagen können, was sie eigentlich alles verspeist hatten.
Während des Mahles war die Atmosphäre zwischen ihnen vollkommen entspannt gewesen. Keane wusste nicht, ob er jemals zuvor derart viel geredet hatte wie an diesem Abend. Ihm war auch nicht klar, ob er in der Vergangenheit jemals jemandem so intensiv zugehört oder so von Herzen gelacht hatte.
Briana hatte ihn mit Geschichten aus ihrer Jugendzeit unterhalten, einer Zeit, die sie im Schatten zweier mutiger, kampferprobter Brüder verlebt hatte.
„Doch, ich habe das tatsächlich getan!“, beteuerte sie jetzt. „Mein ganzes Leben lang hatte ich die Grausamkeiten der englischen Soldaten auf die eine oder andere Weise miterlebt, wenn auch glücklicherweise nie am eigenen Leib zu spüren bekommen. Ich habe gesehen, wie Dorfbewohner ihren Schwertern hilflos ausgeliefert waren. Ich habe meinen Vater und meine Brüder gegen die Barbaren kämpfen sehen. Und ich habe meine Familie endlos lamentieren, fluchen und klagen gehört über die Ungerechtigkeit, dass solche Menschen in unserem Land sein dürfen.“
„Aber Zuschauen und Zuhören sind ja nun nicht wirklich vergleichbar mit der aktiven Teilnahme am Kampf gegen den Feind“, wandte Keane ein.
Briana nickte. „Ich weiß. Aber an jenem Tag habe ich wohl irgendeine unsichtbare Linie überschritten. Ich sah die Soldaten in die Dorfschenke gehen. Ich hörte ihre schmutzigen Witze und Bemerkungen, als ein Mädchen an ihnen vorbeiging. Ich sah die Tränen in ihren Augen. Sie war unvorstellbar gedemütigt worden. Und da hat irgendetwas in mir das Kommando übernommen. Ich ritt zurück nach Ballinarin und nahm mir das Schwert meines Großvaters, kehrte ins Dorf zurück und wartete vor dem Gasthof darauf, dass die Engländer herauskämen.“
„Oh mein Gott, Briana“, stöhnte Keane auf und umklammerte ihre Hand. „Gab es denn niemanden im Dorf, der Euch Einhalt gebieten konnte?“ Erregt stand er auf und stellte sich direkt an den Kamin, wo er einen Arm auf das Sims legte. Die ganze Zeit ließ er Briana nicht aus den Augen.
„Nein, ich war Briana O’Neil, die einzige Tochter des Herrn über Ballinarin. Niemand hätte es gewagt, mich aufzuhalten.“
Sie hielt einen Moment inne, als ihr die Einzelheiten des damaligen Geschehens wieder einfielen. „Als die Soldaten schließlich auftauchten, angetrunken, aber gut gelaunt dabei, forderte ich sie zum Kampf heraus. Nachdem sie sich von ihrem Schock über ein so kindisches und dummes Verhalten erholt hatten, hieb mich ihr Anführer einfach aus dem Sattel und befahl seinen Männern, den Ort zu verlassen.“
Briana seufzte ein wenig. Der Rest der Geschichte war alles andere als rühmlich. „Ich war so wütend, dass ich den Mann tatsächlich noch einmal direkt angriff, und er war praktisch gezwungen, mich zu verletzen. Es gab keine andere Möglichkeit, mich davon abzuhalten, ihn umzubringen. Als mich einige Dorfburschen nach Hause trugen, blut- und dreckverschmiert, war mein Vater schon fast außer sich vor Sorge um
Weitere Kostenlose Bücher