historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
besonders jetzt bedurfte er ihres weisen Verständnisses und einfühlsamen Rates.
Eadmer, ihr Gatte und ein in der Gemeinde hochangesehener Mann, wohnte in einer Kate, die größer als die anderen war. Das Haus stand, eine Meile von Shepreth entfernt und einsam am Fluss gelegen, abseits der Mühle und war von einem hübschen Garten umgeben.
Erleichtert bemerkte Adrian, dass Olwen auf dem Hof und keines der Stiefkinder in der Nähe war. Sie war beim Mälzen, beugte sich über einen verbeulten Kessel und warf immer wieder die braunen Zöpfe zurück, die ihr ständig nach vorn über die Schultern fielen.
Fougueux schnaubte, und das Geräusch veranlasste sie, sich aufzurichten. Sie war hochgewachsen und hübsch. Überrascht sah sie den Earl of Shropshire an und sagte fröhlich:
„Sei gegrüßt, Herr!"
Wortlos schwang er sich aus dem Sattel, band den Hengst an einem Pfosten an und nahm Olwen in die Arme.
Im ersten Moment versteifte sie sich, spürte jedoch gle ich, dass er Trost, nicht körperliche Befriedigung bei ihr suchte. Sie schmiegte sich an ihn, lehnte den Kopf an seine Schulter und fragte leise: „Du hast Kummer, nicht wahr?"
Eine Weile war es ihm nicht möglich zu sprechen. Schweigend drückte er sie an sich und war froh, bei ihr zu sein. Plötzlich fiel ihm auf, dass sie rundlicher war als sonst, schob sie sanft von sich ab und erkundigte sich in warmherzigem Ton: „Trägst du ein Kind unter dem Herzen, Olwen?"
„Ja", bestätigte sie strahlend und legte glücklich die Hände auf den Leib. „Wer hätte gedacht, dass ich mit meinen über dreißig Lenzen noch guter Hoffnung werden würde?"
Die Neuigkeit traf Adrian gänzlich unvorbereitet. Olwen hatte stets geglaubt, unfruchtbar zu sein, da sie in ihrer ersten Ehe und im Zusammensein mit ihm nie empfangen hatte. Zum ersten Male kam ihm der Gedanke, er könne zeugungsunfähig sein, und die schreckliche Vorstellung verunsicherte ihn an diesem unseligen Tage nur noch mehr. Für Olwen indes war es wundervoll, und deshalb zwang er sich zu einem Lächeln, küsste sie flüchtig auf die Stirn und erwiderte freundlich: „Das freut mich für dich!"
„Komm nicht auf den Einfall, es hätte an dir gelegen, dass ich bislang nicht gesegneten Leibes war", sagte sie unumwunden. „Offensichtlich brauche ich einen langen Anlauf, ehe die Sache endlich klappte!"
Adrian wusste, Olwen kannte ihn besser denn jeder andere in seiner Umgebung.
„Hoffentlich bleibst du, wie du bist", äußerte er auflachend. „Und wenn du möchtest, übernehme ich die Patenschaft."
„Es wäre natürlich eine große Ehre für uns", gestand Olwen, krauste jedoch leicht die Stirn. „Aber die Leute könnten auf falsche Gedanken kommen."
„Nun, besprich es mit Eadmer", schlug Adrian vor. „Selbst wenn er nicht will, dass ich euren Nachwuchs aus der Taufe hebe, verspreche ich euch gern, für eine gute Zukunft des Kindes zu sorgen."
„Du bist, wie immer, sehr großzügig", sagte Olwen und schaute den Earl herzlich an.
„Brun hat sich deiner Hilfe wert erwiesen. Inzwischen ist ein sehr gelehriger Scholar aus ihm geworden. Man sollte es nicht für möglich halten, dass er aus ganz einfachen Verhältnissen stammt."
„Ach, Eadmers Ältester ist ein aufgeweckter Bursche und hatte es verdient, im Kloster aufgenommen zu werden. Wer weiß, vielleicht kehrt er eines Ta ges als Priester nach She preth zurück?"
„Das würde mich mit großem Stolz erfüllen", gab Olwen zu und drehte sich zu dem kupfernen Kessel um. „Ent schuldige, das Wasser kocht. Ich muss es mit der Maische vermischen."
„Lass mich das machen", erbot er sich.
„Das gehört sich doch nicht!" lehnte sie entrüstet das Ansinnen ab. „Außerdem bin ich kein schwaches Weib, das nicht einmal einen Zuber heben kann!"
Adrian de Lancey ließ sich jedoch nicht abhalten, ihr zur Hand zu gehen, nahm den Kessel vom Feuer und trug ihn zu dem klobigen Holzbottich mit der geschroteten Gerste. Langsam, den Anweisungen folgend, schüttete er die siedende Flüssigkeit auf das angekeimte Getreide, während Olwen den Sud mit einem Reisigbesen umrührte.
„Man sagt, dass ich in Shepreth und Umgebung das beste Bier braue", erklärte sie schmunzelnd. „Du wirst sehen, es stimmt! Komm, setz dich! Ich hole dir von dem Ale, das ich im letzten Herbst gemacht habe." Sie verschwand in der Kate und kam einen Moment später mit zwei gefüllten Be chern zurück, reichte einen dem Earl und ließ sich dann ebenfalls auf der Holzbank nieder, die
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