historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
könnte Einspruch erheben, und sie ist mehr auf meine Unterstützung ange wiesen als ich auf ihren guten Willen. Danke für den Rat, Olwen! Du bist ein wahrer Schatz", sagte Adrian, beugte sich vor und gab ihr einen Kuss.
„Mein Mann", raunte sie ihm verhalten zu und rückte etwas von ihm ab.
Aufblickend sah er den Eadmer, der mit argwöhnischer Miene näher kam und ehrerbietig einige Schritte vor ihm stehenblieb. Adrian konnte gut verstehen, was in dem anderen vorging. Der Müller hatte nun einmal nicht die Möglichkeit, gegen seinen Herrn vorzugehen, wenn es dem edlen Sieur beliebte, sich mit seinem Weib zu vergnügen. Adrian eilte zwar nicht der Ruf voraus, jede seiner weiblichen Untergebenen zu verführen, doch alle Welt wusste, dass er einst mit Olwen verkehrt hatte. Bemüht, kein Missverständnis aufkommen zu lassen, erhob er sich gemächlich und erklärte: „Ich habe deine Frau nur zu der wundervollen Neuigkeit beglückwünscht. Dir ist sichtlich mehr Erfolg beschieden denn mir."
Eadmers Miene entspannte sich. „Ja, wir alle freuen uns auf das Kind, besonders mein Jüngster, der sich schon lange ein Geschwisterchen wünscht. Hat ein bestimmtes Anliegen dich zu uns geführt, Herr?"
„Nein, ich bin nur zu einem kurzen Besuch gekommen", antwortete der Earl of Shropshire, löste die Zügel des Rappen vom Pfosten und schwang sich in den Sattel. „Gib gut auf Olwen acht, Eadmer! Gehabt euch wohl!" Er nickte beiden zu und grübelte auf dem Heimwege darüber nach, wie er der Frau, der er solches Unrecht zugefügt hatte, am besten die Ehe antragen könne.
8. KAPITEL
Die Magd brachte das Vespermahl, doch Meriel achtete nicht auf sie. Die Tür fiel wieder in das Schloss und wurde versperrt, aber auch das nahm Meriel nur am Rande wahr. Langsam ging sie zu der Truhe, hob das Brett mit dem Essen herunter und stellte es der Katze auf den Fußboden. Wie betäubt zog sie das kornblumenblaue Bliaut und die azurfarbene Tunika aus und hüllte sich wieder in ihr schä biges braunes Gewand. Matt ließ sie sich auf das Lager sinken und hoffte, der Schlaf möge sie von den quälenden Gedanken erlösen.
Den ganzen Tag hatte sie dumpf darüber nachgegrübelt, wie sie dem Earl of Shropshire entrinnen könne. Inzwischen war sie zu der Überzeugung gelangt, dass er sie tatsächlich niemals ziehen lassen würde. Nicht einmal die schwache Aussicht, er könne ihrer eines Tages doch überdrüssig werden, hatte ihr Trost geboten, denn er schien wie besessen von dem Wunsch, sie bis an ihr Lebensende in Warfield festzuhalten. Nur der Tod konnte sie vor einem Dasein schmählicher Unfreiheit bewahren. Erschrocken über sich selbst, hatte sie den Himmel um Erleuchtung und Rat gebeten, vor Verzweiflung jedoch bald keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Die Freiheit war ihr verloren, und von Schluchzen geschüttelt presste sie das Gesicht auf die schimmernde Seidendecke.
Ein Geräusch drang in ihr Bewusstsein vor, und das Knirschen des Schlüssels ließ sie fürchten, Mylord Warfield sei zurückgekommen. „Folge mir, Mistress!" hörte sie eine fremde Stimme sagen, drehte benommen den Kopf zur Tür und sah einen ihr unbekannten Knappen auf der Schwelle stehen.
Es kostete sie Mühe, sich zu erheben und dem jungen Ritter nachzugehen, der sie in Adrian de Lanceys Studierzimmer geleitete. Die schrägen Strahlen der Sonne fielen wärmend durch die breiten Fenster, vermochten indes nicht, Meriel das Gefühl der inneren Kälte zu nehmen.
Der Earl of Shropshire stand hinter dem Schreibpult, schaute sie an und bewegte die Lippen.
Erst nach einem Moment begriff sie, dass er sie steif für sein Betragen um Vergebung bat.
Langsam kam er auf sie zu, und sie zwang sich, nicht zurückzuweichen. Er redete, doch seine Worte flogen an ihr vorbei, wie vom Winde verweht. Es war seltsam, dass ein so anziehender Mann derart unberechenbar und gefährlich sein konnte. Über einer pur purnen Cotte trug er einen scharlachroten Surkot, und am bestickten Gürtel hing ein kurzer Dolch in juwelenbesetzter Scheide. Meriels Entschlusskraft begann sich wieder zu regen. Vielleicht war es möglich, in den Besitz der Waffe zu gelangen, vorausgesetzt, alles ging sehr schnell.
Adrian wunderte sich über den leeren Blick, mit dem Meriel ihn ansah, und gewann den Eindruck, dass sie eine Mauer zwischen ihnen errichtet hatte, die zu durchdringen ihm nicht mehr möglich sein würde. Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen, doch aus Angst, sie noch mehr zu verstören,
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