historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
Von allen möglichen Lösungen scheint mir das die beste zu sein."
„Wie es dir beliebt", erwiderte Sarah. „Mir ist gleich, wo hin wir gehen, sofern wir die Stadt endlich verlassen können. Ich werde mich überall sicherer fühlen als hier in London."
„Es gibt keinen Ort auf Erden, wo ein Jude sicher ist", entgegnete Benjamin. „Aber Shrewsbury bietet noch die meiste Gewähr, dass uns nichts geschieht. Der Zwingherr dort ist Adrian of Warfield, ein Anhänger der Cousine des Königs. Stephen hat uns viel Huld bewiesen, aber er ist kein starker Herrscher, und Eustace misstraue ich. Sollte Stephen sterben, was würde dann aus uns? Sein Sohn ist habgierig, und ich weiß nicht, ob er sich mit dem begnügen würde, was wir Juden dem König an Gold zur Verfügung stellen. Mauds Sproß jedoch soll sehr vernünftig sein. Von ihm steht wohl kaum zu erwarten, dass er diejenigen umbringen lässt, die ihm die Schatztruhen füllen. Wenn wir Glück haben, wird er unser nächster König."
„Wenn es nur um uns ginge, wäre mir nicht so bang", sagte Sarah und seufzte leicht. „Aber Aaron ist noch so jung und viel zu ungestüm. Er weiß nicht immer, wann er nachzugeben hat." Der Sohn, geboren, als sie und ihr Mann nicht mehr mit einem Kinde gerechnet hatten, war ihr mehr ans Herz gewachsen denn jeder Reichtutn dieser Welt. „Wann gedenkst du abzureisen, Benjamin?"
„In drei Wochen, sollte es dir bis dahin möglich sein, den Haushalt aufzulösen und das Gepäck zu richten. Vincent de Gembloux hat mir geraten, die alte römische Straße zu benutzen, da sie auf dem kürzesten Wege nach Shrewsbury führt. Außerdem hat er uns Begleitschutz angeboten."
„Ist dir das nicht recht?" fragte Sarah und hob eine Braue.
„Je mehr Leute wissen, wann und wie wir reisen, desto größer ist die Gefahr, überfallen zu werden", antwortete Benjamin und strich sich über den langen grauen Bart. „Deshalb werde ich eine Eskorte anheuern und sie aus eigener Tasche bezahlen. Aber wenigstens kommen wir an Warfield Castle vorbei. Es hat mich enttäuscht, dass ich den Earl selbst damals nicht sprechen konnte. Das ließe sich jetzt nachholen. Er hat zwar einen sehr guten Ruf; ich meine indes, es ist stets besser, einem Menschen in die Augen zu sehen."
Sarah nickte. Benjamin war ein weiser, lebenserfahrener Mann, der sein Vermögen durch kluges Taktieren erworben hatte. „Sollte der Earl of Shropshire dir nicht zusagen", äußerte sie bedächtig, „dann können wir zurückkehren und uns nach einer anderen Bleibe umschauen.
Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Ich möchte vermeiden, den Fuß je wieder auf den Boden dieser Stadt zu setzen."
Meriel fand das Leben wundervoll. Ihre Aufgaben als Burgherrin waren nicht sehr umfangreich, denn Warfield Castle verfügte über arbeitsames Gesinde, einen umsichtigen Kämmerer und einen tüchtigen Seneschall. Zudem hatte sie oft den Eindruck, auf Erfahrungen zurückzugreifen, die sie sich vor dem Verlust des Gedächtnisses in Avonleigh erworben haben musste.
Leider trennten ihre Aufgaben sie oft von ihrem Gemahl, doch sie bemühte sich, so viel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen. Sie ritten aus, unternahmen Spaziergänge oder gingen mit Falken auf die Jagd.
Langsam wurde es Meriel zur Gewissheit, dass sie empfangen hatte, doch sie entschloss sich, das süße Geheimnis zu bewahren, bis auch der letzte Zweifel geschwunden war. Sie wollte Adrian nicht enttäuschen und hoffte inständig, ihm mit einem gesunden Sohne das Gute zu vergelten, das er für sie getan hatte.
Zweimal musste er seine Mannen in ein Gefecht führen und war tagelang fort. Sie hasste es, durch diese Fehden daran erinnert zu werden, dass außerhalb der Geborgenheit von Warfield Castle Grausamkeit und Blutvergießen herrschten. Sie ängstigte sich um Adrian, obgleich er stets mit großer Gelassenheit in die Kämpfe gegen Guy de Burgoigne zog.
Beide Male kehrte er jedoch unverletzt zurück, und sie bereitete ihm freudiges Willkommen.
Tag für Tag danke sie dem Allmächtigen für ihr glückliches Dasein, doch hin und wieder beschlich sie die Furcht, es könne nicht für immer so sein. Dann verdrängte sie die bangen Gedanken, um kein Unheil auf sich zu ziehen. Aber das ungute Gefühl wollte sie nicht verlassen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, und begeistert schilderte Meriel ihrem Gatten, wie sie den Lustgarten umzuwandeln gedachte. Ein Page näherte sich ehrerbietig, verbeugte sich und antwortete auf des Earl of Shropshires
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