historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
erwiderte Adrian auflachend. „Es stimmt, ich hatte nur eine Geliebte, wenngleich für längere Zeit." Die Tatsache, dass Olwen inzwischen guter Hoffnung war, wollte ihm dennoch nicht aus dem Sinn gehen.
„Du sorgst dich viel zu früh", sagte Meriel schläfrig. „Noch ist nicht aller Tage Abend."
Strahlender Sonnenschein weckte Meriel, doch im gleichen Moment hatte sie das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Verwirrt blickte sie sich um und sah, dass Adrian nicht neben ihr lag. Hastig erhob sie sich, hüllte sich in die weiße Chainse und wollte das Gemach verlassen, als ihr Gatte es betrat. „Wo warst du?" fragte sie verwundert.
„In der Kapelle", antwortete er ruhig. „Ich war lange nicht in der Lage, mit Gott zu sprechen, doch nun ist Frieden in meinem Herzen."
„Warum konntest du nicht beten?"
„Nachdem ich Fontevaile verlassen hatte", erwiderte Ad rian und lächelte etwas bitter,
„führte ich ein vom Wunsche nach Macht, Reichtum und Ansehen geprägtes Leben. Ich habe oft versucht, die dunkle Seite meines Wesens zu bekämpfen, bin ihr aber stets erlegen."
„Ich kann mir nicht vorstellen", entgegnete Meriel kopfschüttelnd, „dass du Untugenden hast."
„Jeder von uns hat Fehler, so auch ich!" meinte er, schlang den Arm um seine Gemahlin und zog sie an sich. „Der Vater meiner Mutter, Thomas de Marie, der Seigneur de Coucy, war ein wirklich schlechter, verderbter Mann, der nicht davor zurückscheute, sich gegen seinen Herrscher aufzulehnen, Unschuldige, die sein Missfallen erregt hatten, kurzerhand hinrichten zu lassen und Kirchen und Klöster zu plündern und niederzubrennen. Er war in Acht und Bann, und König Louis musste zwei Kriege gegen ihn führen, ehe er schließlich besiegt und geköpft wurde. In der Picardie bekreuzigen die Menschen sich noch immer, wenn nur sein Name fällt... oder wenn sie mich sehen, wie ich bei einem Besuch meines Cousins, des jetzigen Herrn von Couc y, feststellen musste."
„Warum denn? Siehst du ihm so ähnlich?"
„Nicht nur das", gestand Adrian. „Meine Mutter, eine fromme und gütige Frau, hat stets darunter gelitten, dass ich meinem Großvater auch im Charakter so gleich bin. Von Kindesbeinen an erzog sie mich dazu, das Schlechte in mir zu erkennen und niederzuringen.
Sie war es, die meinen Eintritt in das Kloster betrieb. Sicher ein weiser Beschluss, denn in Fontevaile war es mir gegeben, meine Schwächen zu bekämpfen."
„Ich glaube nicht, dass du so schlimm bist, wie du dich beschreibst."
Adrian seufzte. „Das solltest du aber", widersprach er bedrückt. „Auch dich habe ich nicht sehr rücksichtsvoll behandelt. Und im Gefecht überkommt mich eine Lust zu töten, die wie ein Rausch ist. Dann bin ich zu allem fähig, und deshalb vermeide ich auch jeden unnötigen Streit."
„Ist es nicht eine größere Leistung, das Böse in sich zu überwinden, als nie in Versuchung zu geraten?" fragte Meriel, schlang den Arm um den Gatten und lehnte den Kopf an seine Schulter.
„Gewiss, doch das setzt voraus, dass man in der Lage ist, sich zu bezwingen. Und das ist mir nicht immer gelungen. Seit ich deine Liebe habe, fühlte ich mich jedoch geläutert und zum ersten Male im Leben mit mir im reinen. Ich bin noch weit davon entfernt, vollkommen zu sein, habe indes nicht mehr den Eindruck, dauernd am Rande eines Ab grundes zu stehen."
„Einerseits freut es mich", sagte Meriel leise, „dass ich dazu beigetragen habe.
Andererseits weiß ich nicht, ob ich die Kraft habe, eine solche Verantwortung zu tragen. Was geschieht mit dir, falls mir etwas zustößt?"
„An diese Möglichkeit will ich gar nicht erst denken", antwortete Adrian und drückte seine Gemahlin an sich.
„Aber du bist nicht für mein Seelenheil verantwortlich. Ich selbst stehe mir gegenüber in der Pflicht."
Benjamin l'Eveske schloss den Folianten, lehnte sich zurück und rieb die brennenden Augen.
Er wurde alt und war gewiss bald nicht mehr in der Lage, Schriften zu entziffern. Die Tür wurde geöffnet, und er wusste, auch ohne hinzuschauen, dass sein Weib den Raum betreten hatte.
Sarah kam zu ihm, reichte ihm einen mit Klaret gefüllten Pokal und ließ sich dann auf einem Schemel nieder.
Es war ein weiteres Zeichen des Alters, dass Benjamin der heiße Gewürzwein selbst an einem warmen Sommerabend mundete. Schweigend leerte er das Trinkgefäß.
Dann stellte Benjamin den Pokal ab und sagte ruhig: „Ich bin zu dem Entschluss gelangt, dass wir nach Shrewsbury umsiedeln sollten.
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