historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
fragte, den Blick in die Ferne gerichtet: „Gibt es irgend etwas, das dich belastet? Hat dein Bruder Dinge erwähnt, über die du nähere Auskunft von mir erwartest?"
„Ich weiß, du fürchtest dich, mir Rede und Antwort zu stehen", erwiderte Meriel ernst.
„Aber mir ist nichts so wichtig zu wissen wie die Tatsache, dass du mich liebst."
Adrian drehte sich um und sagte bewegt: „Du bist wunderbar, Meriel! Womit habe ich eine so verständnisvolle Frau wie dich verdient?"
„Ist Liebe etwas, das man sich verdienen muss?"
„Auf Erden fällt dir selten etwas in den Schoß", entgegne te Adrian, ging zu Meriel und nahm ihr sacht den goldenen Reif vo m Haupt. „Erst im Himmel muss man sich nicht mehr anstrengen", fügte er trocken hinzu, während er das Schmuckstück auf einem Kasten ablegte.
„Habe ich mich eigentlich nach dem Unfall sehr verändert?" Sie rieb sich die schmerzende Stirn.
Adrian erstarrte einen Herzschlag lang, ehe er zu seiner Gemahlin ging und ihr die Hände auf die Schultern legte. „Nein, im Wesen bist du dir gleich geblieben", sagte er bedächtig.
„Ich finde sogar, deine sanftmütige, zutrauliche Art kommt nun noch mehr zum Ausdruck."
„Dann wirst du nicht aufhören, mich zu lieben, sollte ich das Gedächtnis wiedererlangen?"
„Natürlich nicht!" versicherte Adrian aus fester Überzeugung. „Als Alan äußerte, du seist in Lambourn gewesen, fiel mir ein, dass ich dich vor ungefähr fünf Sommern dort zum ersten Male gesehen habe. Wir wechselten nur einige belanglose Worte, doch seither bist du mir nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Ich habe mir stets Vorwürfe gemacht, dass es mich nach einer Frau gelüstete, die sich dem Herrn weihen wollte."
„Wirklich?" Freudig überrascht schaute Meriel den Gatten an.
„Ja! Es war Schicksal, dass wir uns wiederbegegnet sind."
Meriel lächelte innig, denn irgendwie hatte sie schon immer das Gefühl, dass Adrian und sie zueinander gehörten. Sie überlegte, ob sie ihn nun über den Unfall befragen solle, unterließ es jedoch, da es vielleicht besser war, die näheren Umstände nicht zu kennen.
Adrian hob ihr die perlenbestickte Haube vom Haar, legte sie neben dem Stirnband ab und betrachtete dann prüfend Meriels müdes Gesicht. „K omm zu mir auf das Bett und entspanne dich", schlug er ruhig vor. „Ich halte nichts davon, die Ehe schon in der ersten Nacht zu vollziehen. Es war ein anstrengender Tag, der uns nicht nur unbeschwerte Fröhlichkeit gebracht hat. Warte, ich helfe dir", fügte er hinzu, nahm ihr den Surkot von den Schultern und begann, die silbernen Schnüre des lichtblauen Bliaut zu lösen. Be hutsam streifte er es ihr über den Kopf, warf es achtlos über eine Truhe und zog Meriel auch die linnene Chainse und die brokatenen Schuhe aus. Dann hob er sie auf die Arme, trug sie zum Bett und ließ sie sanft auf das Lager gleiten.
Sie seufzte und räkelte sich wohlig. Verschwommen drangen aus der Halle der Lärm der Zecher und die Musik der Spielleute herauf, und das rotgoldene Licht der unterge henden Sonne fiel durch die Fenster.
Adrian entledigte sich seiner Gewänder und Schuhe, schlüpfte neben Meriel unter den seidenen Überwurf und nahm sie in die Arme.
Sie schmiegte den Kopf an seine Schulter, Schloss die Augen und war dankbar, dass Adrian ihr behutsam die pochenden Schläfen massierte.
Zart strich er ihr über das Haar und merkte bald an ihrem gleichmäßigen Atmen, dass sie eingeschlafen war.
Nur die Flamme des dicken Wachsstockes, der auf einem geschmiedeten Leuchter neben dem Lager brannte, erhellte flackernd das Gemach, als Meriel die Lider aufschlug. Noch immer war der Lärm des Gelages zu vernehmen, aber auch die beruhigenden Atemzüge ihres Gemahles. Sie regte sich schwach, und sogleich erwachte Adrian.
„Fühlst du dich wohler?" raunte er ihr zärtlich ins Ohr.
„Ja, aber dir müssen die Arme weh tun", erwiderte sie und setzte sich auf. „Du hast mich die ganze Zeit gehalten."
„Ich könnte dich eine Ewigkeit an die Brust drücken und würde nie ermüden!" versicherte er und richtete sich auf.
„Bist du hungrig? Mochtest du einen Schluck Wein?"
„Nein, danke", antwortete sie lächelnd und entsann sich unvermittelt des Tages, an dem sie sich mit Adrian im Severn vergnügt hatte. Die Erinnerung an den herrlich ge wachsenen, kräftigen Körper erregte sie und erfüllte sie mit erwartungsvoller Vorfreude. „Essen ist nicht das, was ich jetzt brauche", flüsterte sie, beugte sich vor und nahm Adrians
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