Historical Gold Band 251
konnte sie in sich keine Spur von diesem Gefühl entdecken. Was war noch da?
Pflichtgefühl. Ehre. Dankbarkeit. Vielleicht nur der perverse Wunsch, ihrem Vater zu zeigen: Siehst du? So macht man das, wenn man seine Familie nicht verraten will. Sie würde es ihm zeigen. Denn sie brauchte nicht als Adelige angesehen zu werden, um Adel des Herzens zu zeigen.
Wenn ihr alles andere geraubt worden war, blieb ihr zumindest das.
Ash verließ Parfords Krankenzimmer, nur um festzustellen, dass draußen eine Abordnung Dienstboten auf ihn lauerte. Die Haushälterin, eine Mrs Benedict, stellte sich ihm vor. Sie war in Begleitung von Mr Smith, dem Butler, und einem Mr Dunridge, offenbar der Gutsverwalter. Nach schöner alter Sitte sollte Ash nun herumgeführt werden und sein Erbe bewundern.
Es fiel ihm nicht schwer, gebührende Begeisterung zu zeigen. Parford Manor war ein wunderschön gepflegtes Haus. Man sah, dass darin gelebt wurde, ohne dass es einen heruntergekommenen Eindruck machte. Selbst die Parkettböden waren von einer zurückhaltenden Schönheit; sie zeigten jenen matten Schimmer, wie man ihn nur mit jahrzehntelanger guter Pflege und Bienenwachs erzielte.
Das Herrenhaus ist sogar noch älter als jenes lang zurückliegende Familienzerwürfnis zwischen den Turners und den Dalrymples, überlegte er, als er hinaus in den Barockgarten geführt wurde. Der Rasen war grün und elastisch unter seinem Tritt und zeigte eine robuste Gesundheit, die ebenfalls von jahrzehntelanger Sorgfalt kündete.
Sein Urahn war vor einigen Jahrhunderten hier Herr gewesen. Der Mann war vielleicht auf ebendiesem Weg entlanggeschlendert, um genau dieselbe mit Stechpalmen bewachsene Ecke gebogen und hatte dann den gemächlich dahinfließenden Fluss dahinter gesehen.
Diese lange Tradition wirkte ein wenig einschüchternd. Als er klein gewesen war, hatte sein Vater ihm von seinen vornehmen Verwandten erzählt, als machte diese uralte Familiengeschichte etwas Besonderes aus ihm, als wäre er dadurch interessanter als die anderen Fabrikbesitzerkinder. Aber jener glückliche Zufall, diese vornehme Herkunft, all das hatte den Turners nicht viel Gutes gebracht. Es hatte sie weder genährt noch mit Kleidern versehen. Vermögen waren verdient und dann in unbekümmerten Gesten wahnsinniger Wohltätigkeit wieder hinausgeworfen worden.
Nun stand Ash kurz davor, den Herzogtitel zu erben. Er hatte sich geschworen, dass er für jene sorgen würde, die von ihm abhingen – für alle, angefangen mit Mrs Benedict, die ständig innehielt, um das Häubchen festzustecken, das ihr immer wieder vom Kopf rutschte, bis zur geringsten Küchenmagd, die sich in der Spülküche über einen Kupferkessel beugte.
Parford hatte die Sache natürlich ganz falsch verstanden.
Ja, zuerst hatte er an Rache gedacht. Aber der Gedanke an eiskalte Rache war der harten Realität gewichen. Es hatte keinen Sinn, sich auf einen Handel Auge um Auge einzulassen, wenn er seine Brüder stattdessen durch den Handel mit Rubinen versorgen konnte.
All das lag in einer fernen Vergangenheit. Das Familienzerwürfnis datierte etwa auf die Zeit zurück, in der die mächtigen Ulmen an der westlichen Auffahrt gepflanzt worden waren. Ashs Vorfahr, ein jüngerer Sohn, hatte die Tochter eines reichen Handwerkers aus finanziellen Gründen geheiratet. Zum Ausgleich für das Vermögen hatte er den Namen Turner angenommen – was die übrigen Dalrymples sehr erbost hatte, sahen sie diesen Akt doch als Verrat an. Viel Zeit war seither verflossen. Die Ulmen reichten nun fast bis in den Himmel. Das ursprüngliche Turner-Vermögen war dahingeschwunden, ehe Ash ein neues Vermögen aufhäufte. Und dennoch hatte der alte Streit bittere Spuren hinterlassen, die immer noch schmerzten.
Nein, Ash wollte sich nicht einfach nur rächen. Er wollte auch für seine Familie sorgen. Bis zu diesem Morgen hatte er allerdings nur an seine Brüder und sein Geschäft gedacht. Ihm war nicht klar gewesen, wie viele Pflichten er erben würde.
Die allerdings nicht alle unangenehm waren. Man denke nur an Miss Lowell.
Miss Lowell war eine überraschend und entzückend widersprüchliche junge Frau. Sie war intelligent, ungestüm und loyal. Sie sah aus, als wäre sie an all den richtigen Stellen weich, aber wenn es um Menschen ging, an denen sie hing, konnte sie knallhart werden. Sie wirkte eindrucksvoll, und Ash mochte eindrucksvolle Frauen.
Und sie war geheimnisvoll. Ash würde es genießen, jeden einzelnen Hinweis zu
Weitere Kostenlose Bücher