Historical Gold Band 261 (German Edition)
eine Narbe behalten und beim Gehen ein wenig hinken, aber er benötigte keinen Stock mehr, obwohl er ihn gelegentlich noch mit sich führte.
Elizabeth vermutete, dass er den Schutz zu schätzen wusste, den die verborgene Klinge ihm bot.
„Rule, der böse Junge, ist vermutlich inzwischen in den Kolonien eingetroffen. Vielleicht wird die viele harte Arbeit ihm guttun.“
Mit den Kolonien meinte sie Amerika. Rule hatte seinem Vater versprochen, den Besitz der Familie zu stärken, indem er an den Beziehungen nach Amerika arbeitete. Allerdings hatte er vor, so bald wie möglich nach England zurückzukehren. Und wenn Elizabeth eines gelernt hatte, dann, dass die Dewars ihr Wort zu halten pflegten.
„Rule ist ein guter Mann“, sagte sie. „Er ist noch jung. Mit der Zeit wird er wissen, was er will.“
Tante Agatha seufzte. „Er will jedem hübschen Mädchen, das er sieht, unter den Rock. Der Junge braucht eine Frau. Eine Frau, die seine wilde Natur zu zähmen versteht.“
„Wie ich schon sagte – wenn er älter ist …“
„Ich nehme an, Sie haben recht. Keiner der Dewars hat sehr jung geheiratet. Ich glaube nicht, dass Rule da anders sein wird. Aber denken Sie an meine Worte: Eines Tages wird der Junge seine Partnerin finden. Ich hoffe, ich bin noch am Leben, wenn das geschieht.“
Elizabeth lachte. „Ich denke, Sie werden uns noch alle überleben, Mylady.“
Die Dowager Countess lächelte nur.
Vater und Sohn ließen ihre Pferde antraben und ritten auf die Felder zu, und Elizabeths Herz begleitete sie, voller Liebe zu ihren Männern.
Tante Agatha folgte ihrem Blick. „Ich sagte doch, es wird sich alles klären.“
Und das hatte es. Reese liebte sie, und sie liebte ihn, und beide liebten sie ihren Sohn. Die alte Dame konnte in verblüffender Weise die Zukunft voraussagen.
„Sie haben vieles, auf das es sich zu freuen lohnt“, sagte die Dowager Countess, als hätte sie Elizabeths Gedanken gelesen. „Reese ist sicher, dass ihr noch mehr Kinder haben werdet. Außerdem seht ihr beide einem langen und glücklichen Leben entgegen.“
Elizabeth hatte gelernt, der Intuition der alten Dame zu vertrauen. Während sie ihrem Mann und ihrem Sohn nachsah, dachte sie an die leidenschaftliche Nacht, die sie in Reeses Armen verbracht hatte, und an das seltsame Gefühl der Zufriedenheit, das sie am Morgen empfunden hatte. Behutsam legte sie eine Hand auf ihren Bauch.
Diesmal war sie es, die lächelte.
– ENDE –
Rendezvous im Boudoir
1. KAPITEL
August 1796
Shoreley Park, Hampshire
N un, Miss Faraday, wie geht es Ihnen jetzt, da all Ihre engsten Freundinnen verheiratet sind?“
Miss Faraday stand auf der Terrasse des Landhauses, das dem Earl und der Countess of Westbourne gehörte, und drehte sich bei diesen Worten erschrocken herum. Sie errötete ein wenig, denn man hatte sie dabei ertappt, wie sie eine dieser engsten Freundinnen und deren ihr seit sechs Wochen angetrauten Mann beobachtet hatte, die gemeinsam durch den sonnendurchfluteten Garten schlenderten. Das Paar schien ein wenig miteinander zu streiten, falls das Funkeln in Charlottes Augen sie nicht täuschte.
Trudie Faradays Wangen waren noch immer leicht gerötet, als sie zu dem außerordentlich sehenswerten Mr George Sebastian Reynolds Wilson aufsah, der bei Freund und Feind – wovon er, wie es schien, eine ausgeglichene Anzahl benennen konnte – schlicht als Bastian bekannt war.
Und er war ein Mann, dem Trudie seit seiner Rückkehr vom europäischen Festland auf die Insel in der vorletzten Saison häufiger begegnet war. Nicht dass dieser hochmütige Gentleman jemals auf einem Ball oder einem Fest getanzt hätte. Stattdessen hielt er sich stets am Rande und beobachtete aufmerksam die Mitglieder des ton . Was nicht bedeutete, dass Trudie nicht ihrerseits Bastian Wilson ausgiebig betrachtet hätte, wenn er sich einmal dazu herabließ, die Gesellschaft mit seiner Gegenwart zu beehren.
Tatsächlich war Bastian Wilson mit seinen einunddreißig Jahren kein Mann, den eine Frau irgendeines Alters übersehen hätte – schon gar nicht eine von zweiundzwanzig Jahren. Er war außerordentlich groß und athletisch, und diese Vorzüge kamen an diesem Tag besonders gut zur Geltung durch den schwarzseidenen Rock, den er über einer hellgrauen Weste trug, die feine weiße Brüsseler Spitze an Hals und Manschetten und die schwarze Hose, die sich eng um seine muskulösen Schenkel schmiegte. Dazu trug er Schuhe mit Silberschnallen. Ganz entgegen der
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