HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
dich nicht, weil du der Sohn deiner Mutter bist. Ich hasse dich, weil du mein Sohn bist. Und ich werde nun das mit dir machen, was ich mit ihr hätte machen sollen, damit du gar nicht erst geboren worden wärst.“
Sogar die Piraten, die eigentlich an Gewalt gewohnt waren, schienen über die abgrundtiefe Gehässigkeit in der Stimme des Kapitäns erschüttert zu sein. Manch einer schluckte, als er den Wahnsinn in den Augen seines Anführers sah.
Verzweifelt sah Darcy zu, wie Whit sich mit einer schmutzigen Hand die Tränen fortwischte. Nur mit einem Messer stellte er sich tapfer jenem Mann entgegen, der behauptete, sein Vater zu sein.
Wieder gelang es dem Burschen, seinem Gegner eine kleine Wunde zuzufügen, die Wylie Yorks Zorn nur noch mehr entfachte.
„Das war deine letzte Chance, Junge!“, schnaubte er. „Jetzt kannst du deine Mutter treffen.“ York warf seinen Degen mit aller Macht, die er aufzubringen vermochte.
Die Klinge bohrte sich in die Brust des Jungen und warf ihn rücklings zu Boden. Reglos lag er auf den Planken neben dem Körper seines kleinen Hundes.
Bei diesem entsetzlichen Anblick hörte Darcy einen langen, gellenden Aufschrei und machte sich bewusst, dass es ihre eigene Stimme war. Sie schrie, während sie auf den kleinen Jungen und seinen Welpen starrte, die in einer immer größer werdenden Blutlache lagen.
Tiefer Schmerz und maßloser Zorn nahmen von ihr Besitz und verliehen ihr ungeahnte Kräfte. Selbst die Piraten waren starr vor Entsetzen, als sie mit ansehen mussten, wie ihr Kapitän sein eigen Fleisch und Blut angriff.
Mit dem Mut der Verzweiflung riss Darcy sich von den Männern los, die sie festhielten, und warf sich mit bloßen Fäusten auf den finsteren Piratenkapitän.
Wylie York lachte dreckig, zog seinen Degen aus der Brust des Jungen und schwang ihn über dem Kopf. „Kommt nur, Frau. Das dürfte spannend werden, da es noch nicht einmal ein richtiger Kampf ist.“
Darcy wappnete sich innerlich gegen den Schmerz, den sie zu erwarten hatte. Doch bevor York zu einem tödlichen Streich ausholen konnte, versteifte sich plötzlich sein ganzer Körper.
Ein brennender Schmerz in seinem Rücken ließ ihn herumwirbeln. Er sah sich Gryf gegenüber, der sich schwer atmend auf der Reling abstützte. Genau wie Darcy hatte er die Gelegenheit genutzt und sich von seinen Bewachern losgerissen.
„Ich werde es bis an mein Lebensende bereuen, dass ich nicht in der Lage war, den Jungen zu retten. Doch ich heiße den Tod willkommen, damit Ihr dieser Frau kein Haar krümmen könnt.“ Gryfs Stimme klang hohl. Alle, die zusahen, merkten, welche Kraft er aufbringen musste, um sich auf den Beinen zu halten, während Blut aus seiner hässlich klaffenden Wunde strömte. „Englands Schiffe brauchen Euch nicht mehr zu fürchten, York.“
Als der Piratenkapitän leblos auf den Planken aufschlug, konnte Gryf sich noch einen Moment halten, bevor er auf die Knie sank. Er war den Piraten schutzlos ausgeliefert, die nach kurzem Zögern ihre Waffen zur Hand nahmen.
Mit einem Aufschrei griff Darcy in ihren Stiefel und warf ihr Messer nach dem Schurken, der im Begriff war, auf Gryf einzuschlagen. Angetrieben von einer unmäßigen, blinden Wut, nahm sie einen Säbel vom Deck und hieb auf die Seeräuber ein, bis einer nach dem anderen über die Bordwand gestürzt war. Als schließlich Stille einkehrte, besah sie sich das Gemetzel wie in einem Taumel.
Newton und Gryf knieten neben dem Jungen und versuchten, die Blutung zu stillen.
„Ist er …?“ Sie konnte das Wort nicht aussprechen. Die Vorstellung war zu schrecklich.
Gryf schüttelte den Kopf. „Er ist nicht tot. Sein Herz schlägt noch, wenn auch schwach. Aber die Wunde ist tief.“
Darcy sank neben ihm auf die Knie und achtete nicht auf die Tränen, die über ihre Wangen strömten und sich mit dem Blut vermischten. „Wir müssen ihn in meine Kajüte bringen.“
„Ja, Mädchen.“ Newton zog sich an der Bordwand hoch und sah sich das Ausmaß des Gemetzels an. „Und wir müssen uns die Verletzungen der anderen ansehen.“
„Ich kümmere mich darum.“ Sie schlang die Arme um den alten Mann und schloss für einen Moment die Augen. „Geht es dir gut, Newt?“
„Ja.“ Er berührte ihr Haar, dann hob er ihr Gesicht, damit er ihr in die Augen schauen konnte. „Und wie geht es dir?“
Benommen sah sie ihn an. „O Newt. Was habe ich nur angerichtet?“
„Komm, Mädchen.“ Er holte tief Luft. „Wir stecken alle drin. Und wir werden es
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