HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
das Bett, wrang das Tuch aus und drückte es gegen Whits Stirn. Flüsternd betete sie, nicht abermals einen geliebten Menschen verlieren zu müssen.
„Wie steht es um den Jungen?“ Geoffrey Lambert betrat den Raum und schien überrascht, dass so viele Familienangehörige um das Bett herumstanden.
„Das Fieber will nicht sinken.“ Die Haushälterin stellte eine Schüssel mit frischem Wasser ab und ging mit dem leeren Krug hinaus.
Da sie ohnehin keinen Schlaf finden konnten, hatten die übrigen Familienmitglieder sich in die Krankenstube begeben, um schweigend am Bett des Jungen zu wachen. Ambrosia und Riordan saßen nebeneinander und hielten sich an den Händen. Bethany und Kane hatten beschlossen, in der Nacht nicht in ihr Haus zurückzukehren, schritten nun besorgt im Raum auf und ab und blieben des Öfteren stehen, um Blicke zu tauschen oder schweigend den Kopf zu schütteln. Miss Mellon untersuchte immer wieder den Verband des Jungen auf Anzeichen einer frischen Blutung. Und Mistress Coffey eilte Augenblicke später mit Tee und Keksen in das Zimmer und hoffte, die Anwesenden bei Laune zu halten. Sogar das Hausmädchen Libby brachte immer wieder frisches Wasser oder neue Kerzen für den Nachttisch. Jedes Mal, wenn sie einen Moment innehielt und auf den Jungen schaute, der so bleich und reglos im Bett lag, schüttelte sie bestürzt den Kopf und schlich sich wieder aus dem Raum.
„Der Junge ist ein Kämpfer, Großvater.“ Ambrosia warf dem alten Mann ein dünnes Lächeln zu und klopfte mit der Hand auf den Platz neben sich.
Als er sich hinsetzte, nahm sie seine Hand, denn sie brauchte seine Kraft. Sie schauten zu, während Darcy das Gesicht, den Nacken und den Oberkörper des Jungen mit einem Schwamm abtupfte; ein verzweifelter Versuch, das Fieber zu senken, das Whit in der Gewalt hatte.
Auf der anderen Seite des Bettes hielt Gryf die Hand des Jungen und sprach weiterhin aufmunternde Worte.
„Komm, Kleiner“, murmelte er. „Du hast schon harte Zeiten durchlebt. Wir beide. Gib jetzt nicht auf. Denk an das schöne, große Schiff, dessen Captain du eines Tages sein möchtest. Und denk an all die exotischen Länder, die du dir noch ansehen kannst. Die große weite Welt wartet auf dich, Whit. Verlass sie nicht. Verlass mich nicht, Junge. Wir hatten ein Abkommen, erinnerst du dich?“
Darcy spürte ein Brennen in den Augen und musste rasch blinzeln. Jetzt war nicht die Zeit für Tränen. Während sie erneut das Tuch auswrang, fand sie in dem Gedanken Trost, dass ein kleiner, übel zugerichteter Junge durch die Liebe eines Mannes von seinem früheren Los befreit worden war, dessen eigene Leiden ihm das Gedächtnis genommen hatten.
Es musste einen guten Grund für die Zuneigung geben, die zwischen diesen beiden Menschen gewachsen war. Konnte das Schicksal so grausam sein, die zwei aus ihrer Asche auferstehen zu lassen, um sie dann wieder voneinander zu trennen? Würde der Engel des Todes den Jungen forttragen, der diesem Mann so viel Freude bereitet hat?
Unwillkürlich berührte sie Whits Stirn und schrie bestürzt auf. „Das kühle Wasser hilft nicht. Ich fürchte, es geht ihm schlechter.“
Auch Gryf berührte die Haut des Jungen und stimmte mit einem Nicken zu. Seine Augen verengten sich voller Sorge. „Ja. Seine Haut glüht.“
Während die anderen sich um das Bett versammelten, wurde der Atem des Jungen immer flacher, bis er nur noch mühsam nach Luft rang.
Flehend schaute Darcy ihre alte Kinderfrau an. „Winnie, was können wir tun?“
„Wir haben alles getan, was wir können, Kind.“ Die alte Frau legte einen Arm um ihre Schultern. „Das Einzige, was wir jetzt noch tun können, ist beten. Lasst uns den Allmächtigen bitten, dem Jungen weitere Leiden zu ersparen.“
Die Stunden vergingen, und immer noch stieg Whits Fieber an. Darcy versuchte unablässig, den heißen Körper mit frischem Wasser zu kühlen. Gryf redete weiter leise zu dem Jungen, in der Hoffnung, einige seiner Worte drängen womöglich durch den tiefen Schlaf, der Whit in seiner Gewalt hatte.
Alle, die am Bett standen, horchten auf jeden flachen Atemzug des Kleinen und atmeten unwillkürlich mit.
Während Gryf den Jungen drängte, durchzuhalten, fürchtete Darcy, dass er vielleicht zu viel von Whit verlangte. Wie viel könnte ein junger Bursche in diesem Leben ertragen? Möglicherweise war er von dem Kampf zu sehr erschöpft und wollte diesem Ringen ein Ende machen.
Der Gedanke an seine furchtbare Vergangenheit trieb ihr
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