HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
Gryf. Wir haben Euch über den Strand gehen sehen und dachten, wir könnten eine Schüssel mit heißem Wasser bringen, falls ihr Euch rasieren wollt.“
Verblüfft sah er von einer Schwester zur anderen. „Warum sollte ich das tun wollen?“
„Da spricht der wahre Seemann.“ Ambrosia kicherte. „Papa kehrte immer mit einem Bart von der See zurück. Und unsere Mutter hatte stets das Rasiermesser schärfen und das Wasser erhitzen lassen, damit er sich den Bart abnehmen konnte, bevor er sie küsste.“
Bethany fiel in das Lachen mit ein. „Ja. Sie sagte, es kitzelte zu sehr und verdarb ihr das Vergnügen, seine Lippen zu küssen.“
Gryf wusste nicht, ob er belustigt oder verärgert sein sollte. „Das hat also Eure Mutter gesagt?“
„Ja.“ Die beiden Schwestern nickten.
„Und wem sollte es beim Küssen Vergnügen bereiten, wenn ich meinen Bart abnehme?“
„Nun …“ Ambrosia warf ihrer Schwester einen flüchtigen Blick zu. „Wir dürfen den Namen dieser Person nicht nennen. Aber es gibt da einen Captain, der des Nachts manch eine Stunde allein auf dem Söller verbringt.“
Letzte Nacht hatte er Darcy dort oben auf dem Balkon gesehen, wie sie in der Dunkelheit auf und ab gelaufen war. Er war versucht gewesen, zu ihr zu gehen, doch etwas hatte ihn zurückgehalten. Eine Furcht, dass er womöglich in einen tiefen Kummer eindrang. „Was macht Eure Schwester dort oben?“
Bethany zuckte mit den Schultern. „Vielleicht träumt sie die Träume einer Frau und wartet auf einen bestimmten Seemann, der ihr Herz erobert.“
Gryf nahm das Rasiermesser vom Tisch und berührte die fein geschärfte Klinge mit dem Daumen. „Worum hat Eure Mutter Euren Vater sonst noch gebeten, wenn er von der See zurückkehrte?“
„Nun“, begann Ambrosia, als sie merkte, dass Gryf sich mit mehr Begeisterung auf dieses Spiel einließ, als sie sich erhofft hatte. „Unsere Mutter hat ihn stets angehalten, die Seemannskluft abzulegen und sich wie ein englischer Gentleman zu kleiden.“
„Verstehe.“ Er wandte sich den beiden Frauen zu und sah ihre neugierigen Blicke. „Glaubt ihr, ein bestimmter Captain würde genau das von einem einfachen Seefahrer erwarten?“
„Ich denke, es würde dieser Person gefallen, obgleich sie diesen Wunsch niemals selbst äußern würde.“ Bethany ergriff die Hand ihrer Schwester und zog Ambrosia mit zur Tür. „Ich denke, Mistress Coffey bedarf unserer Hilfe im Speiseraum. Werden wir Euch in Kürze unten antreffen, Gryf?“
„Ja.“ Er kehrte sich ab und betrachtete eingehend sein Spiegelbild. „Ich werde zur Abendmahlzeit da sein.“
„Darcy.“ Bei dem schrillen Aufschrei drehte Darcy sich um und sah Edwina Cannon mit ausgebreiteten Armen durch die Eingangshalle auf die breite Treppe zulaufen.
Darcy erstarrte, und ihre erste Eingebung war, die Flucht zu ergreifen, doch man konnte sich Edwina nicht entziehen, wenn sie es auf jemanden abgesehen hatte.
Daher musste sie sich die übertriebene Umarmung der jungen Frau gefallen lassen, während deren schrille Stimme in ihren Ohren schmerzte.
„Ich habe gerade erfahren, dass du zurück bist, und musste mich selbst davon überzeugen.“ Edwina musterte sie eingehend. „Du siehst besser aus als bei unserem letzten Zusammentreffen.“
„Ja. Ich fühle mich auch besser.“ Darcy löste sich aus der Umarmung und machte bewusst einen Schritt zurück. „Es war nett von dir, den ganzen Weg zu kommen, um mich zu begrüßen, Edwina. Aber wenn du mich jetzt entschuldigen …“
„Das hat mir nichts ausgemacht. Übrigens hat Mistress Coffey mich zum Dinner eingeladen.“
Beinahe hätte Darcy laut aufgestöhnt. Während einer ganzen Mahlzeit die Gesellschaft dieser Frau ertragen zu müssen würde ihr sicherlich Übelkeit verursachen. Aber sie sah keine Möglichkeit, Edwina aus dem Weg zu gehen, ohne äußerst unhöflich zu werden. Ein solch ungebührliches Benehmen würde Winnie niemals zulassen, auch wenn Darcy geneigt war, es darauf ankommen zu lassen.
„Dann komm mit, Edwina. Großvater wartet gewiss schon voller Ungeduld auf das Essen.“
Im Speiseraum hatten die anderen bereits Platz genommen.
„Ah. Herzlich willkommen, Edwina.“ Geoffrey Lambert schaute mit einem zufriedenen Seufzen von einem zum anderen. „Es erfüllt mein Herz mit Freude, mit der ganzen Familie am Tisch zu sitzen. Auch wenn es sich um keinen außergewöhnlichen Anlass handelt.“
„Du wirst Riordan und mich so schnell nicht loswerden, Großvater.“ Ambrosia
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