HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
war es die letzte Nacht, die wir drei zusammen verbracht haben. Und ich verspreche dir, dass ich alle weiteren Nächte mit dir verbringen werde.“
„Darcy, ich verstehe ja, dass du dich nach einer letzten Nacht mit deinen Schwestern gesehnt hast. Aber ich muss zugeben, dass ich kaum geschlafen habe. Ich denke, ich habe mich so daran gewohnt, dich in meinen Armen zu halten.“
„Wenn du nicht verärgert bist, dass ich mit meinen Schwestern zusammen war, warum schaust du dann so finster drein? Hast du es dir noch einmal anders überlegt?“
„Natürlich nicht“, erwiderte er entschieden. „Aber du vielleicht.“ Er wandte sich ab, als suche er nach den richtigen Worten.
Darcy schlug das Herz bis zum Halse. Sie rang die Hände und trat näher zu ihm. „Ich sehe dir doch an, dass dir etwas Sorgen bereitet, Gryf? Kannst du mir nicht sagen, was dich bedrückt?“
Er drehte sich um. „Doch. Gestern ist etwas geschehen, Darcy. Als ich allein am Strand entlangging, blitzte plötzlich eine Erinnerung in mir auf. Ganz klar und deutlich.“
Darcy stockte der Atem. Entsetzen kroch in ihr hoch, doch sie wollte sich der Wahrheit stellen.
„In der Dämmerung fiel mein Blick auf die Segel der Un daunted , und plötzlich sah ich mich an Bord eines Schiffes. Eines Schiffes, das in hellen Flammen stand.“
„Ein Schiff …“ Erschrocken legte Darcy sich die Hand auf den Mund.
„Auch ich stand in Flammen. Ich brannte, als ich in die Wellen eintauchte. Dann schwamm ich, bis ich mich nicht mehr bewegen konnte. Ich erinnere mich, dass ich im flachen Wasser lag und glaubte, ertrinken zu müssen. Ich wünschte mir sogar den Tod herbei, da meine Schmerzen unerträglich waren. Dann zogen mich kräftige Arme aus dem Wasser und hievten mich auf einen Karren. Ich erinnere mich an jede Furche des Weges, weil mir das Holpern des Wagens unsägliche Schmerzen bereitete. Schließlich kam der Karren zum Stehen, und man trug mich in einen dunklen Raum, der nach Whisky und menschlichen Ausdünstungen stank. Später hörte ich Schreie und Entsetzensrufe. Der beißende Geruch von brennendem Holz stieg mir in die Nase. Dann wurde mir schwarz vor Augen.“
Darcy sah ihn voller Erstaunen an. „Weißt du, was das bedeutet, Gryf?“
Er nickte.„Es könnte heißen, dass ich mir die Verbrennungen nicht in einer Schenke zugezogen habe, wie ich bislang glaubte. Womöglich hat man mich in das Wirtshaus gebracht, nachdem ich woanders in die Flammen geraten war. Höchstwahrscheinlich auf dem Schiff, das so deutlich in meiner Erinnerung aufblitzte.“
„O Gryf.“ Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Das ist, was ich mir immer erträumt und gewünscht habe. Wenn wir einen Beweis fänden, dass du an Bord der Carrington gewesen bist …“
„Ich weiß, was du denkst, Darcy. Aber da ist noch etwas anderes. Und das beunruhigt mich zutiefst. Es wird dich nicht so erfreuen wie die erste Erinnerung.“
„Etwas anderes?“ Bei seinem ernsten Tonfall schwand ihr Lächeln augenblicklich. Ein unbestimmtes Gefühl der Angst beschlich sie.
„Ja. Ich war so aufgeregt, als ich mich an die Ereignisse erinnerte, wenn es auch nicht viel war. Verzweifelt habe ich versucht, mich an mehr zu entsinnen. Deswegen habe ich wohl lange keinen Schlaf gefunden. Doch heute Morgen, kurz bevor ich aufgewacht bin, erschien mir ein weiteres Erlebnis im Traum.“
Darcy griff nach seiner Hand. „Erzähl mir davon. Bitte.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass du das hören möchtest.“
Erneut wurde sie von einer Woge der Angst erfasst. Doch es gelang ihr auch dieses Mal, ihre Furcht zu verdrängen. „Ich möchte es aber hören, Gryf. Ich muss es wissen. Mag es auch noch so schmerzvoll für mich sein.“
Er atmete tief durch, kehrte sich von ihr ab und trat an ein Fenster. Ohne sie anzuschauen, sagte er: „Auf See kämpfte ich gegen einen ungeheuren Sturm an. Als ich endlich das rettende Ufer erreichte, hielt ich ein kleines Mädchen in meinen Armen. Leute standen um uns herum, doch ich trug das Mädchen unbeirrt weiter, bis wir vor einem warmen Feuer lagen. Dort schlief es in meinen Armen ein.“
Betrübt drehte er sich um. Als er sah, dass sie weinte, schloss er die Augen, da er einen Stich im Herzen verspürte. „Siehst du, Darcy? Jetzt ist das eingetreten, was ich am meisten gefürchtet habe. Vermutlich bedeutet es, dass ich irgendwo eine Tochter habe. Eine Tochter, die immer noch um ihren vermissten Vater trauert.“
Tränen
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