Historical Lords & Ladies Band 40
lächeln. Dann runzelte sie plötzlich die Stirn. War dies der Grund, warum Charles das Wohl seiner Tochter in andere Hände gelegt hatte? Aus Angst, dass Megan auf ihr eigenes Glück verzichten und in Charlottes Haus bleiben würde, um Sophie weiterhin zu betreuen? Doch das erklärte nicht, warum er die Vormundschaft ausgerechnet Christian übertragen hatte.
Nachdenklich starrte sie den breiten Rücken des Mannes an, der vor ihr ritt. Im Gegensatz zu Caroline, die auch nach seiner Hochzeit mit ihm verkehrt hatte, war Charles ihm aus dem Weg gegangen. Was mochte ihn in Indien umgestimmt haben? Konnte er Christian, der ihn während der schweren Krankheit so fürsorglich betreute, nicht länger feindselig gegenüberstehen? Oder war er wie Caroline zu der Überzeugung gelangt, es wäre ein Fehler gewesen, hätte Christian aus einem falsch verstandenen Ehrgefühl heraus auf die geliebte Frau verzichtet und Megan geheiratet?
Jetzt vertrat auch Megan diese Ansicht. In so vielen Dingen hatte Caroline richtig geurteilt. Glücklicherweise hatte Sophie die Vernunft und das ruhige Temperament ihrer Mutter geerbt. Bald würde sie sich im Haus ihres Vormunds einleben, wo sie so gut umsorgt wurde. Daran zweifelte Megan nicht. Und wie würde es ihr selbst ergehen, wenn sie wieder in Taunton wohnte, ohne die Gesellschaft ihrer Nichte?
„Warum ziehst du die Stirn in Falten?“
Erstaunt wandte sie sich zu Christian, der plötzlich auf seinem edlen Rappen neben ihr ritt, während das junge Mädchen vorausgaloppierte. „Oh – was hat Sophie vor?“
„Sie will die Stute in allen Gangarten laufen lassen. Wie sicher sie im Sattel sitzt! Offenbar konntet ihr auch in Somerset ausreiten.“
„Ja, manchmal. Leider besitzt Charlotte keinen Stall, und wir mussten Pferde mieten. Dabei gerieten wir nicht immer an die besten Tiere.“
Prüfend schaute er sie an. „Woran hast du soeben gedacht? Bist du beunruhigt, weil deine Nichte in meiner Obhut bleiben wird?“
„Keineswegs. Ich erinnerte mich an Caroline und stellte fest, wie ähnlich Sophie ihrer Mutter ist.“
„Ja, das stimmt. Eine reizende junge Dame … Und du hast sie sehr gut erzogen.“
„Dieses Verdienst gebührt nicht nur mir.“
„Vielleicht nicht. Aber da ich dich kenne, weiß ich, welche von euch Schwestern das letzte Wort hatte, wenn es um Erziehungsfragen ging.“
Sollte sie sich über diese kategorische Einschätzung ihres Charakters amüsieren oder ärgern? Eine scharfe Antwort lag ihr auf der Zunge. Aber da er die Wahrheit gesagt hatte, enthielt sie sich eines Kommentars, hob eine Hand und erwiderte den Gruß ihrer Nichte, die ihr Pferd auf den Klippen gezügelt hatte und ihnen zuwinkte.
„Fühlst du dich wohl in Taunton, Megan?“, fragte Christian.
„Oh ja.“
„Das überrascht mich. Wie Giles gestern bemerkte, hatte er stets den Eindruck, du wärst nur auf dem Land glücklich.“
„Nun, vielleicht werde ich mir später einen kleinen Landsitz kaufen. Aber eine Zeit lang möchte ich in London leben. Ich war noch nicht ein einziges Mal dort. Ich würde gern all die eleganten Geschäfte besuchen und die Sehenswürdigkeiten bewundern, von denen ich so viel gelesen habe.“
„Ein kostspieliges Unterfangen …“, warnte er, und Megan glaubte einen selbstgefälligen Unterton aus seinen Worten herauszuhören.
„Vermutlich bist du nicht über das Vermögen informiert, das mir eine Tante vor ein paar Jahren vererbt hat. Seither bin ich finanziell unabhängig.“ Im Gegensatz zu Giles war es ihr nie schwergefallen, Christians Stimmungen zu erraten. Aber jetzt wusste sie nicht, was seine zusammengepressten Lippen bedeuteten. Beim besten Willen konnte sie sich nicht vorstellen, womit sie ihn geärgert hatte. „Vorerst werde ich Somerset nicht verlassen“, fügte sie im Konversationston hinzu, „und ich wollte dich fragen, ob du Charlotte und mir nächstes Jahr erlauben würdest, mit Sophie ein paar Wochen in Bath zu verbringen. In letzter Zeit hat sie zwar viele Gesellschaften besucht, aber dort könnte sie an formelleren Veranstaltungen teilnehmen, und danach würde es ihr leichter fallen, den Anforderungen einer Londoner Saison zu genügen.“
„Eine ausgezeichnete Idee.“
„Du wirst ihr doch ein Debüt in der Hauptstadt ermöglichen?“
„Warum nicht? Sie ist zwar keine reiche Erbin, aber Charles hat ihr eine beträchtliche Summe hinterlassen. Und da wäre noch das Haus. Wie du sicher weißt, hat er es vor seiner Abreise aus England
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