Historical Lords & Ladies Band 40
unterdrücken. „Hätte ich dich bloß deinem wohlverdienten Schicksal überlassen, unartiger Junge, der du warst!“
„In der Tat, das wäre besser gewesen“, stimmte Christian zu. Mit einiger Mühe setzte er eine missbilligende Miene auf. „Nur gut, dass du bald nach Oxford zurückkehren wirst! Sonst würdest du einen äußerst schlechten Einfluss auf mein Mündel ausüben.“ Er wartete, bis Sophies Heiterkeitsausbruch abklang, und fügte hinzu: „Wenigstens kann ich dich heute Morgen von Giles’ schädlicher Gesellschaft befreien, Sophie. Treffen wir uns im Stallhof. Sagen wir – in einer Stunde?“
„Reiten Sie wirklich mit uns aus, Sir?“, fragte Sophie überrascht. „Tante Megan dachte, nach den nächtlichen Ereignissen wären Sie zu beschäftigt, um uns zu begleiten.“
Der Blick, den er Megan zuwarf, war eine unverhohlene Herausforderung. „Wie kommst du darauf? Es sei denn, du fühlst dich nach dem unangenehmen Zwischenfall zu erschöpft …“
„Oh nein, Sir, meine Tante ist aus härterem Holz geschnitzt“, versicherte Sophie und enttäuschte Megans Hoffnung, der Morgenritt könnte ihr erspart werden. „Von solchen Kleinigkeiten lässt sie sich nicht aus der Fassung bringen.“
„Nun, dann freue ich mich, euch beide bald wiederzusehen.“ Christian stand auf, verließ das Zimmer, und Megan schaute ihm bedrückt hinterher.
Offensichtlich wollte er sie daran hindern, ihm aus dem Weg zu gehen. Die Gründe dafür waren ihr schleierhaft. Würde sie trotzdem Mittel und Wege finden, um ihm zu entrinnen? Andererseits durfte sie nicht den Eindruck erwecken, seine Gesellschaft brächte sie aus der Ruhe. Sonst könnte er glauben, er sei ihr noch immer nicht gleichgültig. Ein völlig absurder Gedanke …
5. KAPITEL
I n Taunton war Megan gezwungen gewesen, auf viele Freuden zu verzichten. Am schmerzlichsten hatte sie den täglichen Ritt im schönen Dorsetshire vermisst.
Als sie nun mit ihrer Nichte zum Stallhof ging, beschloss sie, den Ausflug, um den sie ohnehin nicht herumkam, zu genießen. Der wolkenlose Januarmorgen war erfrischend, aber nicht so kalt, dass man einen Aufenthalt im Freien unangenehm gefunden hätte. Entzückt musterten beide Damen die Pferde, die Christian ausgesucht hatte – eine schöne grauscheckige Stute für Sophie, einen kastanienbraunen Wallach mit tadellosen Manieren für Megan.
Seite an Seite ritten sie durch den Park. Auf der Straße, die zur Ruine der alten Abtei führte, blieb Megan ein wenig zurück und beobachtete voller Stolz, wie ungezwungen Sophie mit ihrem Vormund plauderte. Sie hatte sich bemüht, Charles’ Tochter so gut wie nur möglich zu erziehen. Damit wollte sie ihrem Bruder vergelten, was er nach dem Tod der Eltern für sie getan hatte. Er war ein wundervoller Ersatzvater gewesen. Da er mit seiner Frau Caroline im Haus der Familie lebte, konnte Megan in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Hingegen hatte die arme Sophie, wenige Wochen nachdem ihre Mama bei einer Totgeburt gestorben war, nach Taunton übersiedeln müssen.
Von diesen traurigen Erinnerungen heimgesucht, schüttelte Megan den Kopf. In seiner Trauer um die geliebte Frau war Charles sehr selbstsüchtig geworden. Unfähig, den Anblick der Tochter zu ertragen, die Caroline glich, schickte er sie zu seinen Schwestern. Megan fand sein Verhalten herzlos. Erst später billigte sie seinen Entschluss, denn er kam nie über seinen Kummer hinweg, und Sophie war in Charlottes Haus sicher besser aufgehoben als bei ihrem unglücklichen Vater.
Megan hatte ihre gütige, verständnisvolle Schwägerin geliebt und bewundert und deren vernünftige Ratschläge nur ein einziges Mal missachtet.
„Natürlich willst du von hier fortgehen, Meggie …“, sagte Caroline kurz nach Christians überstürzter Hochzeit. „Aber es wäre ein Fehler, wenn du für immer zu Charlotte ziehen würdest.“ Seufzend fuhr sie fort: „Ich begreife nicht, was Christian bewogen hat, diese Frau von heute auf morgen zu heiraten. Es sieht ihm gar nicht ähnlich, so spontan zu handeln. Andererseits – falls er sie wirklich liebt, war es für alle Beteiligten das Beste. Stell dir vor, er hätte dich trotz seiner veränderten Gefühle geheiratet und du müsstest eines Tages erkennen, dass sein Herz einer anderen gehört.“
Caroline war eine hervorragende Menschenkennerin gewesen. Vielleicht hatte sie befürchtet, ihrer Schwägerin würde in Taunton das Schicksal einer alten Jungfer drohen. Bei diesem Gedanken musste Megan
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