Historical Saison Band 01: Ein Duke zum Fest der Liebe? / Eine pikante Weihnachtsüberraschung / Maskerade unterm Mistelzweig / Die Nacht der heimlichen Wünsche
versammelte das weibliche Personal um sich. Rowan fühlte sich unweigerlich an eine Glucke mit ihrer Kükenschar erinnert. Nachdem die Haushälterin alle mit scharfem Blick gemustert hatte, führte sie sie in die Kirche und auf die linke Empore. Die männlichen Dienstboten folgten dem Butler auf die rechte.
Rowan hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, was für einen prächtigen Ausblick die Dienstboten von oben auf die Kirchenbänke hatten. Die Bewohner und Gäste von Tollesbury Court nahmen Platz in dem hohen Kastengestühl, das einem ein so privates, geschütztes Gefühl vermittelte, während die Honoratioren des Dorfes zu ihren Bänken gingen.
Weihnachten stand kurz bevor. Bei all dem Trubel im Dienstbotentrakt hatte sie den Anlass für die Hausgesellschaft ganz vergessen. Jetzt, wo sie die mit Tannenzweigen, Efeu und Stechpalmen geschmückte Kirche sah, wurde ihr klar, dass dies seit zwei Jahren ihr erstes englisches Weihnachten war. Wie es wohl in der Dienstbotenhalle gefeiert wurde? Gab es dort auch Plumpudding und einen Julklotz? Punsch und fröhliche Geselligkeit?
Ihr Blick fiel auf Penny, die an Lord Danescrofts Arm die Kirche betrat. Eine kleine Frau mit modischem Hut begleitete sie, das war wohl Pennys Patentante Lady Rolesby, die die Heirat angeregt hatte. Der Earl hielt den Damen das Türchen zum Kirchengestühl auf und half ihnen bei der Suche nach Kniekissen und Gebetbuch. Die Leute drehten sich zu ihnen um, bis sie endlich saßen und man über den Trennwänden nur noch ihre Köpfe sah. Von hoch oben jedoch konnte Rowan beobachten, wie die Kirchgänger auf den anderen Bänken die Köpfe zusammensteckten und sich Bemerkungen über die unscheinbare kleine Miss Maylin und ihre skandalöse Partie zuzischelten.
Sie reckte nun ihrerseits den Hals, um einen Blick auf Lord Danescroft zu werfen.
Schön
hatte Penny ihn genannt.
Sensibel
. Alles, was sie sehen konnte, waren gut geschnittene dunkle Haare. Wenn sie beim Hinausgehen keinen besseren Blick auf ihn erhaschen konnte, musste sie sich etwas anderes einfallen lassen.
Irgend
etwas würde ihr sein Gesicht doch sicher verraten – wie er Penny ansah, wenn er mit ihr sprach, wie er sich anderen Leuten gegenüber gab.
Mrs. Tarrant sah sie streng an. Rowan lächelte ihr entschuldigend zu und richtete sich wieder auf. Vorher fing sie jedoch noch einen Blick von Lucas auf.
Worauf starrt er nur?
Sie war ohnehin schon durcheinander, weil die Haushälterin sie bei unpassendem Benehmen ertappt hatte. Er zwinkerte ihr zu, worauf sie beinahe die Beherrschung verloren hätte und sich auf die Lippen biss, um nicht in Gekicher auszubrechen.
Zutiefst verlegen öffnete sie ihr Gebetbuch und zwang sich zur Konzentration. Sie, Lady Rowan Chilcourt, führte sich in der Kirche auf wie ein Küchenmädchen! Das Kniekissen fühlte sich hart und klumpig an – eine gerechte Strafe für ihr frivoles Benehmen, sagte sie sich streng.
Während des restlichen Gottesdienstes war ihr Verhalten mustergültig. Als sie danach die Treppe hinunterging, schwor Rowan sich, ab sofort damenhaft die Haltung zu bewahren, sosehr Lucas sie auch provozieren mochte. Leider war dieses ehrenwerte Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn das Erste, was sie sah, als sie aus der Kirche auf den schneebedeckten Weg trat, war Lucas, und gleich darauf entdeckte sie Penny im Gespräch mit Lord Danescroft.
„Verflixt“, murmelte sie.
„Was denn?“ Lucas war zu ihr getreten.
„Er. Lord Danescroft. Sie hatte recht. Er ist wirklich schön.“
„Ganz passabel“, erwiderte sein treuer Kammerdiener grinsend. „Natürlich hat er das alles meiner Kunst zu verdanken.“
„Wirklich? Sie sind auch für die breiten Schultern verantwortlich und die muskulösen Schenkel? Und diese wunderbar gerade Nase und das feste Kinn und diese wunderschönen dunklen Augen?“
„Miss Lawrence, ich bin schockiert!
Schenkel?
Eine junge Dame sollte gar nicht wissen, dass ein Gentleman über derlei Körperteile verfügt, ganz zu schweigen davon, dass sie sich ein Urteil darüber erlaubt.“ Er stülpte sich den hohen Hut auf den Kopf und setzte einen scheinheiligen Blick auf.
„Wir sind nicht blind, Mr. Lucas, wir können sie sehen. Natürlich sind die meisten von uns auch nicht blind für die Charakterfehler, welche die Gentlemen, die im Besitz von
derlei Körperteilen
sind, möglicherweise haben. Miss Maylin scheint leider nur zu bereit, sich blenden zu lassen, trotz ihrer Bedenken wegen Seiner
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