Historical Saison Band 08
mitfühlend an und nahm ihr das Glas aus den zitternden Händen.
„Sie werden sich besser fühlen, wenn die Wirkung einsetzt“, versprach Mrs Drummond freundlich.
Sie zwang sich, der älteren Frau ein Lächeln zu schenken. „Ich danke Ihnen.“
„Sie sollten jetzt am besten schlafen.“ Mrs Drummond blies die Kerze aus, die auf dem Nachttisch stand.
Sie beobachtete, wie die Haushälterin das Zimmer verließ. Ihr war klar, dass ihr das Laudanum Erleichterung verschaffen würde. Dennoch war ihre Lage hoffnungslos. Sie wusste nicht einmal mehr ihren eigenen Namen, und tiefe Verzweiflung stieg in ihr hoch.
Wer bin ich? Warum war ich alleine mit einer Kutsche unterwegs? Es kam ihr ungewöhnlich vor, dass Frauen ohne Begleitung reisten. Sie seufzte und schloss die Augen. Vielleicht war es gar nicht ungewöhnlich. Wenn sie sich nicht einmal daran erinnern konnte, wer sie war, wie konnte sie da wissen, was normal oder ungewöhnlich war?
Und dieser Mann. Viscount Chillings. Ihre Wangen erhitzten sich. Er hatte sich furchtbar überheblich und fordernd verhalten … Und doch hatte ihr Herz einen kleinen Sprung gemacht, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Er war groß, schlank und elegant und hatte tiefblaue Augen, die beinahe schwarz zu sein schienen. Seine Gesichtszüge wirkten männlich und aristokratisch, und beim Anblick seines Mundes überlief sie ein heißer Schauer. In diesem Moment hatte sie gehofft, er würde eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielen, wäre ihr Geliebter oder Ehemann. Aber nichts davon war der Fall.
Mehr als deutlich hatte er ihr gezeigt, dass sie nicht willkommen war und dass er sie sobald ihr Gedächtnis zurückkehrte, vor die Tür setzen würde. Und doch war er auch freundlich gewesen, als sie ihren Gefühlen freien Lauf gelassen und geweint hatte. Sie wusste, dass die meisten Männer in solchen Fällen die Geduld verloren, auch wenn sie keine Ahnung hatte, woher dieses Wissen stammte.
Sie seufzte und versuchte, sich bequemer hinzulegen. So wie ihre Sinne auf ihn reagiert hatten, war es besser, wenn sie sein Haus sofort verließ. Aber dazu war sie nicht in der Lage.
Die Droge begann zu wirken, betäubte die Schmerzen und vertrieb die Seelenqual, sich an nichts erinnern zu können. Endlich konnte sie einschlafen.
2. KAPITEL
Mit dem Hut in der Hand stand der Kutscher vor Guy und machte einen eingeschüchterten Eindruck. Die Bibliotheksfenster gaben den Blick auf die Gartenanlage frei, die von einer leichten Schneeschicht bedeckt war. Unruhig trat der Droschkenfahrer mit seinen abgenutzten Stiefeln von einem Bein aufs andere, als Guy den Schreibtisch umrundete und sich dem Mann näherte. Hoffentlich weiß der ungehobelte Kerl, wer die Frau ist, die oben auf dem Zimmer liegt. Sonst wird sie länger mein Gast bleiben, als mir lieb ist.
„Die Dame, die Sie gefahren haben, hat ihr Gedächtnis verloren“, kam Guy ohne Umschweife zur Sache. Es machte keinen Sinn, die Befragung unnötig in die Länge zu ziehen. „Daher brauche ich Ihre Hilfe, um ihre Familie ausfindig zu machen. Zuallererst, wie lautet ihr Name?“
Der Mann verzog das Gesicht. „Weiß nicht genau, Mylord. Sie gab sich als Mrs Smith aus.“ Er zuckte mit seinen massigen Schultern, während er nervös seinen Filzhut knetete. „Ich glaub’ nicht wirklich, dass es ihr Name ist, aber vielleicht stimmt’s ja auch.“
Guy unterdrückte einen Fluch. Wahrscheinlich hatte der Mann recht. Mrs Smith. Wie einfallslos! „Mrs Smith?“
„Ja, Mylord.“ Nun rollte er den Hut, bis er zu einem schneckenförmigen Stoffgebilde wurde.
„Sie stehen also nicht in ihren Diensten.“
„Nein, Mylord.“
Guy starrte ihn finster an. „Sie können ruhig in ganzen Sätzen antworten, die mehr als zwei oder drei Wörter enthalten, guter Mann.“
„Jawohl, Mylord.“
Guy unterdrückte eine scharfe Erwiderung. Diesem Kerl musste man wirklich alles mühsam aus der Nase ziehen. „Wo hat sie Ihre Dienste in Anspruch genommen, und wohin war sie unterwegs?“
„Newcastle-upon-Tyne. London. Mylord.“ Der Adamsapfel des Kutschers hob und senkte sich ruckartig.
„Gibt es sonst noch Einzelheiten?“, forschte Guy nach, der kaum noch in der Lage war, seine Ungeduld zu verbergen.
„Nein, Mylord.“
„Hat sie in bar bezahlt oder mit einem Bankwechsel?“
„Mit Münzen, Mylord.“
„Verdammt, Sie müssen doch irgendetwas wissen! Wahrscheinlich gibt es Details, die Sie für unwichtig halten. Versuchen Sie sich zu
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