Historical Saison Band 18
Mal eine Angelrute in den Händen hielt. Ihr Korb füllte sich schnell mit einem halben Dutzend prächtiger Forellen und binnen Kurzem folgten zwei weitere. Höchst zufrieden mit dem üppigen Fang legte der Viscount die Angel beiseite und setzte sich auf einen großen Stein, um die Wärme des unverhofften Oktobersonnenscheins zu genießen.
„Man sieht sofort, dass du dich diesem Zeitvertreib schon häufig gewidmet hast“, sagte er, als er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie sie einen weiteren Fisch in den Korb gleiten ließ. „Ich hoffe, du hast nicht irgendwo verbotenerweise gefischt?“
Sie lachte. „Ganz sicher nicht! Ich hatte immer die Erlaubnis meines Patenonkels. Um ganz ehrlich zu sein, hat er mich oft begleitet.“
Interessant, dachte er. Man kann also davon ausgehen, dass ihr Patenonkel ein wohlhabender Mann war. Das war aufschlussreich, wenngleich nicht völlig überraschend.
Gerade, als er sich nach der Identität des unbekannten Mannes erkundigen wollte, der in ihrem Leben ganz offenkundig einen starken und vorteilhaften Einfluss ausgeübt hatte, wandte sie sich an ihn. „Ich nehme an, Sie haben hier in Ihrer Jugend viel Zeit mit Ihrem älteren Bruder verbracht.“
„Ab und an haben wir gemeinsam gefischt“, bestätigte er. „Doch weit öfter bin ich mit Charles Gingham hier gewesen. Als wir noch jung waren, war er ein regelmäßiger Gast des Hauses.“
Offensichtlich hatte sie den melancholischen Unterton in seiner Stimme bemerkt, denn sie hob aufmerksam den Kopf. „Aber jetzt kommt er nicht mehr so häufig zu Besuch und darüber sind Sie verständlicherweise traurig. Wie sollte es aber anders ein? Schließlich ist er verheiratet und hat andere Verpflichtungen.“ Sie wurde neugierig. „Stimmt es, dass er eine Französin geheiratet hat – das Mädchen, das sie beide gemeinsam retteten, als Sie in Frankreich waren, um Mr Ginghams Cousin zu befreien?“
Er warf ihr einen tadelnden Blick zu. „Ich fürchte, Georgie, mein Junge, du bist der Versuchung erlegen, dem Geschwätz des Personals zu lauschen. Du solltest dich schämen!“
Sie lächelte nur verschmitzt, legte ihre Angel aus der Hand und setzte sich auf einen Stein neben ihn. „Sie vergessen, dass auch ich zu den Dienstboten zähle, Mylord. Daher ist es ganz normal, wenn ich mich mit ihnen unterhalte.“
„Das kannst du ruhig tun“, entgegnete er überraschend. „Wahrscheinlich reizt dich das Neue daran. Aber du wirst trotzdem nie richtig dazugehören.“
Sie sah ihn prüfend an und diesmal lag Vorsicht in ihrem Blick. Dann wechselte sie eilig das Thema, erkundigte sich nach seinem Abenteuer auf der anderen Seite des Kanals und verlangte eine detaillierte Schilderung.
Wie immer verhielt er sich ihr gegenüber nachgiebig, obgleich er leise seufzte. „Da gibt es nicht viel zu erzählen, Georgie. Vor vielen Jahren, lange bevor du geboren wurdest, hat eine von Charles’ Tanten einen Franzosen geheiratet. In der Zeit des Großen Terrors erhielt Charles dann die Nachricht, dass die Familie in Schwierigkeiten stecken würde. So reisten wir gemeinsam nach Frankreich, um zu helfen. Als wir dort ankamen, waren sowohl Charles’ Tante als auch ihr französischer Gatte bereits hingerichtet worden. Ihr einziger Sohn, Henri Durand, befand sich in einem Städtchen etwa dreißig Meilen westlich von Paris in Haft und wartete auf seinen Prozess – wenn man das so nennen konnte! Das dortige Gefängnis war kaum mehr als ein mäßig befestigtes Wohnhaus. Wir wandten eine List an und mithilfe einiger Bauern gelang es uns, in das Gebäude einzudringen. Zu diesem Zeitpunkt wurden nur zwei Menschen in den Kellern gefangen gehalten: Henri und ein Mädchen namens Louise Charvet, das noch fast ein Kind war. Ihre Eltern waren keine Adligen, sondern nur wohlhabende Bürger gewesen. Den Jakobinern und ihrem Schreckensregime bot dies allerdings Anlass genug, Anklagepunkte zu erfinden und das Land und den gesamten Besitz der Familie für sich zu beanspruchen. Louises Vater hatte dies jedoch vorausgesehen und war weitsichtig genug gewesen, die Familienjuwelen zusammen mit einer beträchtlichen Menge Goldmünzen in einer Truhe im Garten zu vergraben. Er hoffte, den Schatz bergen zu können, sobald er seine Familie sicher nach England geschafft hatte. Unglücklicherweise wurden sie alle verhaftet, bevor sie fliehen konnten. Doch Charvet hatte seiner Frau und den Kindern das Versteck der Truhe verraten. So begleitete Charles Louise im Schutze der
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