Historical Saison Band 20
gar nichts damit zu tun.“
„Seit Paris habe ich dich ständig begehrt, mehr als jede andere Frau in meinem Leben. Und ich wollte, dass dieses Gefühl gegenseitig ist.“ Er holte tief Luft. „Es schien mir … Es schien, als könntest du meine Aufmerksamkeiten nur im Dunkeln ertragen. Als würde dich mein Anblick bei Tageslicht abstoßen.“
Entsetzt sah sie ihn an. „Du hast mich niemals abgestoßen. Paris erweckte etwas in mir, das ich nie für möglich gehalten hatte, aber ich schämte mich so sehr darüber, dass ich versuchte, es zu vergessen. Ich habe nie vor dir Abscheu empfunden, Anthony, sondern vor mir selbst. Je mehr ich mich zu dir hingezogen fühlte, desto größer wurde mein schlechtes Gewissen.“
Er schluckte mühsam. „Dann hast du meine Küsse niemals abstoßend gefunden?“
„Nein, niemals. Ganz im Gegenteil.“
„Kann eine Frau denn eine Maske so attraktiv finden?“
„Nicht die Maske, sondern den Mann darunter.“
Er presste kurz verbittert die Lippen zusammen. „Du kennst den Mann darunter nicht.“
„Ich glaube schon.“
„Er ist kein romantischer Held, das versichere ich dir.“
„Sollte ich das nicht selbst entscheiden?“ Sie hob langsam die Hand, um das dünne Band zu lösen, das die Augenklappe festhielt, aber Anthony packte ihr Handgelenk mit hartem Griff.
„Claudia …“
„Hab keine Angst.“
Doch die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Viel lieber würde er in diesem Moment wieder auf dem Schlachtfeld von Vittoria stehen als tun, was Claudia von ihm verlangte. Sie zu lieben war wundervoller gewesen, als er es sich hätte erträumen können, und in der barmherzigen Dunkelheit hatte sie sich ihm mit Leib und Seele hingegeben. Doch das kalte Licht des Tages erfüllte ihn mit Grauen, denn jetzt stand nur noch ein dünnes Stück Leder zwischen Claudia und der Wahrheit. Sein Magen zog sich in unerträglicher Anspannung zusammen. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Drang, sich zu schützen, und dem Wunsch, sie sehen zu lassen, wer er wirklich war. Doch würde die Wahrheit sie abstoßen? Würde sie sich von ihm abwenden? Er holte tief Luft. Vielleicht war die Zeit gekommen, das herauszufinden.
Allmählich lockerte er den Griff um ihr Handgelenk, und sie nahm ihm behutsam die Augenklappe ab. Er wappnete sich gegen den Ausdruck von Abscheu auf ihrem Gesicht.
Ruhig glitt Claudias Blick über die zerstörte Seite seines Gesichts, von dem gezackten Riss auf seiner Stirn bis zur zertrennten Augenbraue und der leeren, vernähten Augenhöhle darunter. Die Klinge musste bis zum Knochen vorgedrungen sein. Jetzt erkannte Claudia, dass die Narben auf seinem Arm und der Schulter von anderen Hieben herrühren mussten. Hatte sein Feind drei-, vielleicht viermal auf ihn eingedroschen? Sie vermochte sich nicht vorzustellen, welchen Schmerz Anthony ausgestanden haben musste, und welches Grauen, als er später das Ausmaß seiner Verletzungen wahrnahm. Ihr zu erlauben, ihn anzusehen, musste ihn viel Überwindung kosten.
Mit unendlicher Sanftheit fuhr sie an der Narbe entlang bis zu seiner Wange. „Tut es noch weh?“
Als er sprach, klang er heiser. „Nein, aber beim Rasieren ist es eine verdammte Plage.“
Sie küsste ihn zärtlich auf den Mund. „Eine größere Plage als ich?“
„Oh nein, nicht annähernd.“
Sie lächelte amüsiert. „Würdest du mich etwa loszuwerden versuchen, wenn du die Gelegenheit dazu hättest?“
„Auf keinen Fall. Ohne dich würde ich innerhalb einer Woche vor Langeweile sterben.“
„Das könnte ich nicht mit meinem Gewissen verantworten, also werde ich wohl bleiben müssen.“
„Genau so ist es“, antwortete er streng. „Außerdem würde ich dir gar keine Wahl lassen.“
Er zog sie an sich und küsste sie lange und hingebungsvoll. Ganz langsam legte er sich wieder aufs Bett und legte den Arm um sie, sodass sie sich von den Schultern bis zu den Beinen eng an ihn schmiegte. Tief sog er ihren sinnlichen Duft ein und wusste, dass er sich noch nie so lebendig gefühlt hatte wie in diesem Moment. Ganz still lag er da, lauschte ihrem leisen Atem und spürte den ruhigen Schlag ihres Herzens unter seiner Hand. Und ganz allmählich beruhigte auch sein Herz sich wieder, bis es im gleichen Rhythmus pochte wie ihres. Tiefe Zufriedenheit erfüllte ihn. Ihm war, als hätte er endlich das Zuhause gefunden, das ihm ein Leben lang gefehlt hatte. Jetzt gab es keinen Schmerz mehr und keine Furcht. Langsam stieß er den Atem aus und spürte, wie auch der
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