Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
als er starb, noch bevor er ein Mann geworden war, sodass sie unberührt geblieben war.
Eine jungfräuliche Witwe.
Dieser Status erschien ihr nun lächerlich, und je länger Joy darüber nachdachte, umso mehr brannte sie darauf, an ihrer Situation etwas zu ändern. Immerhin war sie eine neugierige Frau, immer auf der Suche nach neuem Wissen. Warum sollte sie dann nicht etwas von dem klügsten Mann lernen wollen, dem sie jemals begegnet war? Bei sieben Söhnen sollte der Earl wissen, was im Schlafgemach zu geschehen hatte, ging es ihr durch den Kopf. Der Gedanke ließ sie prompt erröten.
Sie hob das Kinn, da ihr Entschluss gefasst war. Nur dieses eine Mal würde sie etwas von einem Mann annehmen. Den Männern gehörte die Welt, sie hatten sie ihr Leben lang geplagt und schuldeten ihr mehr, als sie je würde einfordern können. Es war an der Zeit, sich von dem anderen Geschlecht etwas zu holen und herauszufinden, was sie sich all die Jahre selbst verweigert hatte. In diesem Jahr wollte sie sich etwas zu Weihnachten schenken.
Ihr Geschenk sollte Campion sein.
4. KAPITEL
Nach dem Festmahl zog Joy sich in die Gemächer zurück, die man ihr zur Verfügung gestellt hatte. Sie hatte erklärt, weitere Weihnachtssträuße binden zu wollen. In Wahrheit wollte sie vor allem in Ruhe nachdenken. Nachdem sie nun ihren Entschluss gefasst hatte, musste sie ihn nur noch in die Tat umsetzen, jedoch war sie bislang nie an den Verführungskünsten interessiert gewesen, mit denen man einen Mann ins Bett lockte. Bei einem Jungen wie Stephen brauchte sie keinen Plan, da musste sie lediglich auf seine Avancen eingehen, überlegte sie und verzog das Gesicht.
Aber Campion war kein liederlicher Schurke, sondern ein reifer Mann, der allem Anschein nach keine Reaktion auf ihre Anwesenheit zeigte.
Joy überlegte, welches werbende Verhalten sie bislang beobachtet hatte, musste aber einsehen, dass sich das für gewöhnlich zwischen den Angehörigen der unteren Schichten abspielte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich dem Earl kichernd auf den Schoß warf. Der bloße Gedanke war so unmöglich, dass sie den Stechpalmenzweig, den sie zum Binden nehmen wollte, fallen ließ und sich bücken musste, um ihn aufzuheben. Als sie vom Eislaufen zurückkehrten, hatten Roesia und Stephen genügend Lorbeer und Stechpalmen mitgebracht, und sie und Joy waren nun damit beschäftigt, jeweils zwölf Stück zu binden, um damit den Saal zu dekorieren.
Joy fragte sich, ob Roesias Ausflug zum Teich so interessant gewesen sein mochte wie ihr eigener, doch dann ließ dieser Gedanke sie innehalten. Sie legte den Zweig in ihren Schoß und schaute zu ihrer Dienstmagd. Auch wenn Roesia jünger war als sie, hatte sie mehr Erfahrung im Umgang mit Männern und behauptete, sie zu schätzen.
Joy hatte das stets heruntergespielt, doch jetzt würde ihr dieses Wissen womöglich weiterhelfen.
„Roesia, was macht Ihr, damit ein Mann von Euch … Notiz nimmt?“, fragte Joy.
Obwohl ihr die Frage beiläufig über die Lippen gekommen war, ließ ihre Dienstmagd vor Schreck das Immergrün los, das sich vor ihr auf dem Steinboden verteilte.
Den Blick verwirrt auf Joy gerichtet, kniete sich Roesia hin, um das Grünzeug aufzuheben. „Verzeiht, Mylady, aber ich dachte gerade, ich hätte Euch fragen hören, wie man einen Mann auf sich aufmerksam macht!“ Sie begann zu lachen, so sehr amüsierte sie sich darüber, dass sie sich wohl verhört hatte. Ihr Lachen verstummte jedoch, als sie Joys Miene bemerkte. „Es ist Euer Ernst? Ich habe das richtig verstanden?“, fragte sie.
Joy hob den Kopf ein wenig an. „Ich strebe immer danach, mein Wissen zu erweitern, indem ich von anderen lerne, aber wenn Ihr nicht gewillt seid, Eure Erfahrung zu teilen …“
„Oh, Mylady!“, unterbrach Roesia sie. „Das ist ja wunderbar! Aber ich dachte, Ihr seid gegen die Ehe eingestellt.“
„Das bin ich auch“, meinte Joy mit ernster Miene.
„Aber Ihr sagtet doch …“
„Ich sagte, ich interessiere mich für die Künste der Verführung, nicht dafür, in einem Gefängnis zu landen“, erklärte sie und gab einen angewiderten Laut von sich.
Roesia stutzte. „Aber Ihr … Ihr redet doch sicherlich nicht davon, die … die Geliebte eines Mannes zu werden“, wandte sie ein. „Ausgerechnet Ihr? Mit Euren hohen Idealen, was uns Frauen angeht?“
„Nein, eine Geliebte will ich ganz sicher nicht werden. Ich werde gar nicht lange genug hier sein, um die Voraussetzungen dafür zu
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