Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
immer so sauber zu sein. Das ist doch nicht natürlich!“, vertraute die Dienerin ihr an. Als sie auf einmal erkannte, sie könnte zu viel gesagt haben, senkte sie rasch den Blick und griff nach dem nächsten Becher. „Bestimmt irgendetwas, das er in einem seiner ausländischen Bücher gelesen hat“, murmelte sie.
„Oder es ist ein Männersport“, meinte Joy ironisch. Sie wusste, dass viele Männer Dienerinnen hatten, weshalb aus einem Bad oft mehr wurde als nur der Vorgang, den Körper zu reinigen.
„Oh, etwas in der Art werdet Ihr hier nicht finden, Mylady!“, gab Wilda zurück und schüttelte nachdrücklich den Kopf angesichts der deutlichen Anspielung. „Seine Lordschaft und all seine Jungen sind anständige Männer. Zugegeben, Stephen ist schon ein Draufgänger, aber was soll er schon machen, wenn er von allen Frauen angebetet wird?“
Joy hätte etwas dagegen einwenden können, aber sie war viel zu erleichtert, weil sie nun wusste, dass der Earl so ehrbar war, wie sie ihn eingeschätzt hatte.
„Lord Campion wird bald wieder hier sein, weil er gern ein Auge auf den Saal wirft und sicherstellen möchte, dass nicht die ganze Nacht durchgefeiert wird“, ergänzte Wilda grinsend.
„Ich verstehe“, antwortete Joy. „Vielen Dank. Ich glaube, ich werde hier auf ihn warten, um … mit ihm zu reden.“
„Macht das ruhig, Mylady“, sagte Wilda und widmete sich weiter ihrer Arbeit. Joy kehrte zu der Tafel auf dem Podest zurück und spielte gedankenverloren mit dem Friedensstrauß. Ringsum näherten sich die Festlichkeiten ihrem Ende, Diener trugen Abfälle und Reste weg, andere löschten die Kerzen, sodass der riesige Raum nach und nach in tiefe Schatten getaucht wurde.
Joy setzte sich auf Campions Platz und sah zu, wie Reynold einige Ritter zum Gehen bewegte, dann zog er sich ebenfalls zurück. Einige der Bediensteten begannen, Strohlager an der gegenüberliegenden Seite des Raums einzurichten, die so weit entfernt war, dass sie ganz in der Dunkelheit verschwand.
Die Nacht war schließlich auch auf der Burg angebrochen. Aber wo war der Earl? Joy nahm ein eigenartiges Gefühl wahr, das sie der freudigen Erwartung zuschrieb, nicht aber ihren übermäßig strapazierten Nerven. Doch als sie dann endlich Schritte hörte, zuckte sie zusammen und bedauerte auf einmal ihre spontan getroffene Entscheidung. Sie drehte sich um und sah Campion auf den Stufen stehen, von wo aus er sein Reich betrachtete. Sein Anblick genügte ihr, um von einer wohligen Wärme durchströmt zu werden. Jegliche Zweifel, die ihr eben noch durch den Kopf gingen, waren wie weggewischt, und sie erhob sich schnell von seinem Platz.
„Campion.“ Es fühlte sich wunderbar an, seinen Namen auszusprechen. Dennoch war Joy von dem Bestreben erfüllt, seinen Vornamen zu erfahren, seinen wahren Namen, um ihm diesen in der Dunkelheit seines Schlafgemachs zuzuflüstern. Ein freudiger Schauer lief ihr über den Rücken.
„Lady Warwick, ich bin erstaunt, Euch so spät noch hier anzutreffen“, sagte der Earl mit einem besorgten Unterton in der Stimme. Sie wollte nicht, dass diese Sorge zwischen ihnen stand – und es sollte auch nichts anderes mehr zwischen ihnen stehen.
„Wie gefällt es Euch?“, fragte sie und trat zur Seite, um ihr Werk zu präsentieren.
Campion sah sie an, und für einen kurzen Moment entdeckte sie einen Funken Verwundbarkeit in diesen allwissenden Augen, einen benommenen Blick … Doch dann war dieser Ausdruck auch schon wieder verschwunden und wich seiner beharrlich höflichen Miene, die dazu angetan war, Joy in den Wahnsinn zu treiben.
Zum Teufel mit der Höflichkeit, dachte Joy rebellisch. Sie wollte schreien und brüllen, um Campion eine Reaktion zu entlocken, die mehr war als eine höfliche Miene. Er sollte zumindest ein ganz klein wenig jene überwältigende Hitze zur Kenntnis nehmen, die seine Nähe bei ihr auslöste. Doch sie tat nichts dergleichen, sondern deutete auf den Tisch. „Kommt her und seht Euch den Weihnachtsstrauß an“, sagte sie. „Was haltet Ihr davon?“
Campion kam mit fließenden Bewegungen auf sie zu, seine große Statur war dabei in Schatten getaucht, sodass Joy unwillkürlich schlucken musste. Während er ihre Arbeit betrachtete, kam sie Zoll für Zoll näher, und als er schließlich den Kopf in ihre Richtung drehte, musste er feststellen, dass sie ganz dicht neben ihm stand. Er räusperte sich und betrachtete sie auf eine so eindringliche Weise, dass sie Hoffnung zu schöpfen begann.
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