Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
herausfordernd an, und wenn Campion es nicht besser gewusst hätte, dann würde er nun glauben, dass sie soeben bekundet hatte, an wem sie stattdessen interessiert sei … an ihm! „Mylady“, entgegnete er in einem sanft ermahnenden Tonfall. „Ihr wisst nicht, was Ihr da sagt. Ihr seid eine junge, vor Leben sprühende Frau, während ich … nun, ich habe ältere Söhne als die beiden, die Ihr kennengelernt habt, außerdem Enkelkinder …“
„Aha. Dann heißt das, Ihr interessiert Euch nicht länger für Frauen?“, fragte sie und verzog den Mund auf die gleiche Weise, wie er es eben gemacht hatte.
Er stutzte. „Nein, natürlich heißt es das nicht. Ich finde Euch sehr attraktiv.“ Und faszinierend.
Und erregend.
„Aber sicher werdet Ihr jemandem in Eurem Alter den Vorzug geben, so wie Reynold oder Stephen.“ Obwohl er die Namen seiner Söhne nur schwer über die Lippen brachte, da er eigentlich nicht von sich ablenken wollte, war er dennoch entschlossen, Vernunft zu bewahren und bei seiner Besucherin das Gleiche zu bewirken.
Als er seine Söhne erwähnte, wurde Joy ernst und sah ihn mit diesem direkten Blick an, den er an ihr so bewunderte. „Stephen und Reynold sind trotz ihres Alters noch kleine Jungs, und das wissen wir beide“, entgegnete sie, ehe sie sich mit einer anmutigen Bewegung zum Kamin umdrehte.
Eigentlich hätte Campion in diesem Moment seine Söhne verteidigen sollen, doch er wusste, dass ihre Einschätzung sehr wohl zutraf. Zwar waren beide erwachsene Ritter, doch in gewisser Weise verhielten sie sich wie Kinder, die nicht auf eigenen Beinen stehen konnten. Schweigend sah er ihr nach, wie sie durch den Raum ging, jeder Schritt so reizvoll und selbstsicher wie der nächste, bis sie vor dem Fenster stehen blieb.
„Ich war mit einem Jungen verheiratet, und ich habe festgestellt, dass ich mich mehr für einen Mann interessiere“, erklärte sie und drehte sich zu ihm um.
Sein Mund war wie ausgetrocknet. Noch nie hatte er so ehrliche und offene Worte zu hören bekommen. Zugegeben, er war am Hof des Königs Frauen begegnet, die mehr oder minder unverhohlen ihr Interesse an ihm bekundeten, doch deren Avancen ließen ihn in aller Regel unbeeindruckt. Lady Warwick war ebenfalls so direkt, dass es keinen Zweifel an ihren Absichten gab, aber weder ihre Worte noch ihr Handeln waren schamlos. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich regelmäßig so verhielt, und diese Erkenntnis war umso beängstigender.
Schon jetzt spürte Campion, wie sein Körper auf das Verlangen reagierte, das in ihren Worten mitschwang, sodass er tief durchatmen musste, um diese Regung unter Kontrolle zu bringen. Als der Ältere und Erfahrenere von ihnen beiden war es an ihm, diesem Unsinn ein Ende zu setzen. Ganz sicher war sie zu jung für ihn und zu unerfahren, als dass sie gewusst hätte, was sie da tat.
„Mylady …“
„Joy. Nennt mich bitte Joy.“
„Joy.“ Ihr Name kam ihm viel zu leicht über die Lippen, und er weckte bei ihm äußerst komplexe Gefühle, die er nicht für sie empfinden sollte.
„Und Ihr heißt …?“
Ihre Frage kam völlig unerwartet und ließ ihn erst einen Moment stutzen. Dann aber antwortete er so reflexartig, dass er nicht erst abwägen konnte, ob es klug war, auf einen solch intimen Wunsch einzugehen. „Fawke.“
„Fawke.“ Sie wiederholte seinen Namen mit leiser Stimme, die seine Erregung weckte, von der er geglaubt hatte, sie besser im Griff zu haben. Wie viele Jahre war es her, seit er das letzte Mal jemanden seinen Vornamen hatte aussprechen hören?
Er betrachtete die zierliche Gestalt, die vor ihm am Fenster stand, und bekam auf einmal das merkwürdige Gefühl, dass er seinem Schicksal begegnet war und dass all sein Zaudern das Unvermeidliche lediglich hinauszögerte. Rasch verdrängte er diese Empfindung und räusperte sich, da er versuchte, wieder Vernunft anzunehmen. „Joy, es kann doch nicht Euer Ernst sein, dass Ihr … dass Ihr …“ Wieder fehlten ihm die Worte.
„Und wieso nicht?“, fragte sie ihn über die Schulter.
Campion entging nicht, wie dabei ihre schwarzen Locken in einer sanften Bewegung ihr Gesicht umspielten. Sofort spannte sich sein ganzer Körper an.
„Ich wurde mit sechzehn Jahren verheiratet. Alles war arrangiert, damit das ganze Eigentum in der Familie blieb. Er war dreizehn“, berichtete sie tonlos, doch Campion hörte ihren Widerwillen heraus, zu dem sich seine eigene Ablehnung gesellte. Zwar waren solche Verbindungen nichts
Weitere Kostenlose Bücher